© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/12 01. Juni 2012

Zehn Punkte zur Bewältigung der Euro-Krise
Dokumentation: Je fünf Bundestagsabgeordnete von CDU und FDP haben eine Allianz gegen den ESM geschmiedet – Umschuldung statt dauerhafte Transfers
(JF)

Die Währungsunion ist in einer Krise. Ihre Mitglieder und die EZB verletzen teilweise vorsätzlich Grundprinzipien der gemeinsamen europäischen Währungsordnung. Die Mitgliedstaaten mißachten die Maastricht-Kriterien und die No-bailout-Klausel, während die Europäische Zentralbank (EZB) laufend massiv Schuldentitel aufkauft und Langfrist-Tendergeschäfte durchführt, um die Märkte mit Geld zu überfluten. 

Die einzelnen Mitgliedstaaten mühen sich erfolglos, die Schuldenkrise des Euro-Währungsgebiets zu bewältigen. Die Märkte haben sich nicht beruhigt. Im Gegenteil: Trotz immer umfangreicherer Finanzhilfen eskaliert die Situation, was die Währungsunion als Ganzes gefährdet.

Der ESM und die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität EFSF haben haarsträubende Konstruktionsfehler. Sie sind einseitig auf Finanzhilfen ausgerichtet und sollen den wirtschaftlichen Zahlungsausfall eines Euro-Mitgliedstaats mit politischen Mitteln um jeden Preis vermeiden. Lieber sozialisiert man private Verluste von Banken und Anlegern und nimmt die Vergemeinschaftung nationaler Schulden in Kauf.

Wir lehnen die Errichtung einer Transferunion – auch wenn sie mit dem Label „Stabilitätsunion“ getarnt wird – ab. Die Transferunion schränkt die Souveränität der Empfängerländer ein. Sie müssen eine wesentliche Einschränkung ihrer Handlungsfreiheit hinnehmen. Die Geberländer tragen substantiell höhere Lasten und gehen mittlerweile unvertretbare Risiken ein.

Dieses europäische System wechselseitiger Bürgschaften beseitigt den notwendigen Druck zur unvermeidbaren wirtschaftlichen Anpassung. Die Verantwortlichen verkennen, daß die Probleme einiger Länder in übermäßigen Leistungsbilanzdefiziten und fehlender Wettbewerbsfähigkeit liegen. Sie belohnen Staaten, die unsolide haushalten. Wegen der Verpfändung von riesigen Summen befürchten wir nachhaltigen Schaden für die europäische Integration, das Ende der Selbstbestimmung künftiger Generationen und das Auseinanderbrechen der Euro-Zone und ganz Europas.

1. Der temporäre Rettungsschirm EFSF muß wie geplant 2013 auslaufen. Die dauerhafte Nachfolgeeinrichtung ESM darf es nicht geben. Jedes Mitglied der Euro-Zone muß selbst für seine finanziellen Verpflichtungen einstehen. Haftung und Eigenverantwortung gehören untrennbar zusammen.

2. Die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit muß Schwerpunkt von Hilfen sein. Es darf nicht um die Ansprüche privater Gläubiger gehen. Überschuldete Staaten müssen sparen und gezielte Anreize für Investitionen für den Wiederaufbau setzen. Dazu muß der betroffene Staat seine Wirtschaft und Verwaltung wettbewerbsfähig machen. Das erfordert tiefgreifende strukturelle Reformen im Steuersystem und im Sozialversicherungswesen, denn nur so entsteht dauerhaft Wachstum.

3. Regelverstöße müssen automatisch Konsequenzen haben. Der Klagemechanismus des Fiskalpakts ist ein leeres Versprechen. Es bestehen politisch gewollte Spielräume, um von einer Klage trotz Verstößen gegen verbindliche Haushaltsvorgaben abzusehen. Diese Spielräume werden sich nicht schließen, wenn nicht der Kreis der vor dem EuGH zur Klage Berechtigten ausgeweitet wird.

4. Sowohl unkontrollierte Zahlungsausfälle als auch dauerhafte Transfers über den ESM müssen vermieden werden. Dazu etabliert die Euro-Zone anstelle des ESM einen Europäischen Umschuldungsmechanismus (EUM). Er erlaubt es der öffentlichen Hand in den Krisenländern, ihre Aufgaben aufrechtzuerhalten, die nationale Budgethoheit zu wahren und einen Ausgleich zwischen Gläubigern und Schuldnern auszuhandeln. Der EUM bietet den Rahmen für ein Schiedsverfahren, das von einer unparteilichen und allgemein akzeptierten Instanz geleitet und durch den IWF begleitet wird. Eckpunkte können auf dem US-Insolvenzrecht aufbauen. Private Gläubiger beteiligen sich unter dem Eindruck einer möglichen Zahlungsunfähigkeit an allen Phasen der Restrukturierung.

5. Finanzhilfen dienen lediglich als Ultima ratio. Sie können zeitlich befristet systemrelevante Kreditinstitute rekapitalisieren sowie zur Einlagensicherung dienen. Die zwangsweise Rekapitalisierung von Finanzinstituten bleibt vorrangig den jeweiligen Sitzstaaten überlassen. Sie kann nötigenfalls durch Finanzhilfen der Euro-Staaten ergänzt werden. Diese erhalten angemessene Gegenleistungen. Die bereits gewährten oder in Aussicht gestellten Finanzhilfen sind kein Akt von europäischer Solidarität. Sie entzweien uns: Die „Hilfen“ entlassen Gläubiger aus ihrer Verantwortung und gehen zu Lasten der Steuerzahler.

6. Wo alle Maßnahmen nicht genügen, um zu den Finanzmärkten zurückzukehren, muß das Ausscheiden eines Staates aus der Euro-Zone ermöglicht werden. Seine Wettbewerbsposition würde sich durch eine Abwertung schnell spürbar verbessern. Außerdem hilft die Aussicht auf Austritt bei den Verhandlungen der Staaten mit ihren Gläubigern.

7. Geld- und Fiskalpolitik müssen wieder strikt getrennt werden. Die Europäische Zentralbank hat durch den Ankauf von Staatsanleihen und die Flutung der Geldmärkte mit Mitteln aus den Langfrist-Tendergeschäften ihren Auftrag weit überdehnt. Sie finanziert Staatsdefizite und nimmt Inflationsrisiken billigend in Kauf. Die Geldpolitik muß der Entscheidungsmacht politischer Mehrheiten entzogen und Inflation verhindert werden.

8. Die EZB muß die Bonitätsstandards für Geschäftsbanken dringend überdenken und für die Target-2-Salden eine untadelige Besicherung sowie eine marktnahe Verzinsung vorsehen. Erstrebenswert ist dazu eine jährliche Ausgleichsverpflichtung nach dem Vorbild des Federal Reserve Systems der USA.

9. Die Stimmrechte in der EZB müssen den Kapital- und Haftungsverhältnissen entsprechen.

10. Besonders die Bundesrepublik Deutschland als stärkster Mitgliedstaat der Europäischen Union muß mit gutem Beispiel vorangehen und den Stabilitätspakt endlich einhalten. Sonst ist er, und sind wir, unglaubwürdig.

 

Die Allianz gegen den ESM wurde von den Bundestagsabgeordneten Veronika Bellmann, Thomas Dörflinger, Alexander Funk, Manfred Kolbe, Klaus-Peter Willsch (alle CDU), Jens Ackermann, Sylvia Canel, Lutz Knopek, Lars Lindemann und Frank Schäffler (alle FDP) ins Leben gerufen. Unterstützt werden sie von den Familienunternehmern, den Jungen Unternehmern, dem Bund der Steuerzahler, dem Bündnis Bürgerwille und der Initiative „Holt unser Gold heim!“   www.esm-protest.de

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