© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/12 01. Juni 2012

David gegen Goliath
Agenturen im Wettstreit: dpa und dapd
Ronald Berthold

Das nehmen wir von der Agentur.“ Dieser Satz fällt in jeder Redaktionskonferenz einige Male. Die deutschen Tageszeitungen verfügen über zu wenige Reporter, als daß sie jeden Termin besetzen könnten. Daher kommt den Nachrichtenagenturen eine große Bedeutung zu. Sie schicken täglich die Terminübersichten und sind dann auch meist vor Ort. Viele Berichte gelangen daher nur über Agenturredakteure ins Blatt. Der Leser merkt dies nur am Kürzel unter dem Text.

Ohne die dpa – die Deutsche Presse-Agentur also – kam bisher so gut wie keine Zeitung aus. Das Unternehmen hatte eine Monokultur in Deutschland errichtet, die symptomatisch für das politische Klima in Deutschland ist. Seit knapp zwei Jahren hat das Flaggschiff des deutschen Nachrichtenjournalismus jedoch einen harten Wettbewerber: dapd. Klingt sehr ähnlich und wird oft verwechselt – dabei sind sich beide spinnefeind. Die Abkürzung steht für Deutscher Auslands-Depeschendienst, wird jedoch praktisch nicht mehr verwendet.

Dpa vermutet nicht nur deswegen in dem Konkurrenten einen Trittbrettfahrer. Dpa-Geschäftsführer Michael Segbers und Chefredakteur Wolfgang Büchner reichten im März Klage wegen Verletzung der Marken- und Kennzeichnungsrechte ein. Das Kürzel dapd sei ein „bewußt gewähltes Kunstwort“. Dapd reagierte nicht gerade zimperlich: Die rechtlichen Schritte nannten die Berliner „absurd und peinlich“.

Inzwischen kreuzen die Anwälte der Agenturen häufiger die Klingen. Aktuell geht es um die Vergabe eines 3,5-Millionen-Euro-Auftrags des Auswärtigen Amtes. Das Ministerium soll mit Nachrichten versorgt werden, um den Blick des Auslandes auf Deutschland besser einschätzen zu können. Den Auftrag erhielt dapd. Bisher war dies unangefochten und allerdings auch ohne Ausschreibung das Revier der Hamburger Konkurrenz.

Entsprechend verärgert reagierte die dpa. Ein mehrmonatiger Rechsstreit durch mehrere Instanzen endete in der vergangenen Woche mit einem endgültigen Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf, das die dpa-Klage zurückwies.

Einer der Vorwürfe von dpa lautete, dapd übersetze einfach nur englische Nachrichten ins Deutsche. Hintergrund: Die Finanzinvestoren und dapd-Eigentümer Martin Vorderwülbecke sowie Peter Löw haben zunächst den Deutschen Depeschendienst (ddp) gekauft, dann die deutsche Sektion von AP und beides zu einer Vollagentur zusammengeführt. Mit dieser geballten Kraft möchte man die 1949 gegründete dpa vom Markt drängen. Denn aufgrund der Sparzwänge in den Printmedien wird mittelfristig wohl nur eine große Agentur in Deutschland überleben können.

Und dieser Kampf wird verbissen geführt. Die dapd-Führung beklagte sich beispielsweise über die Attacken der dpa im Streit um den Auftrag des Auswärtigen Amtes bei deren 190 Gesellschaftern. Pikant: Dies sind ausschließlich Verlage und Rundfunkanstalten – also meistens Kunden beider Agenturen. Bisher warten die Medienunternehmen den Konflikt jedoch relativ unparteiisch ab – auch wenn viele mit dpa durch die Gesellschaftsanteile verbandelt sind. Denn dapd ist deutlich günstiger.

Die Agentur aus der Berliner Reinhardtstraße verfügt allerdings auch über weniger Personal. 378 dapd-Redakteuren stehen 582 dpa-Kollegen gegenüber. Dies garantiert den Hamburgern zwar eine umfassendere Berichterstattung, kostet aber eben auch mehr Geld. Während die dpa 800 Berichte täglich liefert, bringt es dapd lediglich auf gut 500. Allerdings heuert dapd massenhaft Leute an und bei dpa ab. Twitter-Nutzer lesen dann Nachrichten wie diese von der Berliner Morgenpost:  „Unser Hertha-Reporter und Blogger Daniel Stolpe wechselt als Fußball-Koordinator zu @dapd.“

dapd punktet mit niedrigeren Preisen

Eine große Bewegung gen dapd hat bei den Zeitungen noch nicht eingesetzt, auch wenn einige die Verträge mit der dpa kündigen. Die Münchner Abendzeitung beendet ihre Kooperation Ende 2013 und will sich dann nur von dapd beliefern lassen. Bereits jetzt verzichten die mächtige WAZ-Gruppe und die Medien-Union, die unter anderem die Rheinpfalz herausgibt, völlig auf die Dienste der dpa.

Insgesamt gibt es hier jedoch wenig Bewegung. Daher findet der Agenturkrieg auch nicht nur auf dem klassischen Markt der Zeitschriften, Tageszeitungen, Onlinedienste, Radio- und Fernsehsender statt, sondern verlagert sich auf übrige Abnehmer. Das Auswärtige Amt ist dafür nur ein Beispiel. Auch andere Ministerien, die meisten Parteien und Regierungen sowie einige Unternehmen, Institutionen und Verbände haben den Dienst einer Nachrichtenagentur abonniert.

Aufgrund der Sparzwänge in allen Bereichen erhofft sich dapd mit seinen günstigen Angeboten gerade auf diesem Feld neue Kunden und treibt die Preisspirale weiter nach unten. Daß darunter  letztlich die Qualität der journalistischen Berichterstattung leiden wird, befürchten immer mehr Medienschaffende. Schon heute müssen die Agenturjournalisten zwei, drei, manchmal sogar vier Berichte pro Tag absetzen. Daß diese nicht alle gründlich recherchiert sein können, versteht sich von selbst.

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