© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/12 08. Juni 2012

Grüße aus Santiago de Cuba
Angelina oder Angelino
Alessandra Garcia

Irgend jemand hat eine alte deutsche Zeitung mitgebracht. Eine Bild vom Juli 2008. „Schwangerer Mann bekam ein Mädchen“ steht da. Ort des Geschehens Oregon/USA. Angelina zupft an ihren kurzen Kleidchen. Der Bericht sei doch ein Märchen. Aber Rolando schüttelt energisch den Kopf. Das sei keine kubanische Zeitung, sondern eine deutsche. Das würde schon stimmen. Und werde Clara nicht demnächst operiert, richtig offiziell im staatlichen Krankenhaus in Havanna, damit sie nach der Geschlechtsumwandlung endlich eine richtige Frau sein kann?

Nachts ist das „Las Enramadas“, der Biergarten am Boulevard von Santiago de Cuba, fest in der Hand von Schwulen, Lesben und Transvestiten. Insbesondere für die Heteros unter den Ausländern bedeutet das, aufzupassen, nicht im Verlauf der Nacht dem Charme des falschen Geschlechts zu erliegen. Die milchkaffeebraune Angelina mit dem zuckersüßen Lächeln beispielsweise ist natürlich ein Kerl, auch wenn sie das gar nicht gern hört.

Während politisch Andersdenkende auf Kuba noch immer die harte Hand der Diktatur zu spüren bekommen, hat das Regime seinen Frieden mit den Homo- und Transsexuellen gemacht. Vor zwei Jahren hat gar der greise Revolutionsführer Fidel Castro die persönliche Verantwortung für die Homophobie, insbesondere in den 1960er Jahren, übernommen. Zwischen 1965 und 1968 waren zahlreiche Homosexuelle in Umerziehungslager geschickt worden, wo sie Zwangsarbeit verrichten mußten. Noch 1971 galt Homosexualität als eine Krankheit. Vier Jahrzehnte später betont Castro, keine Vorurteile zu haben.

Ein Gesinnungswandel, der vor allem mit dem Engagement der Tochter seines Bruders und Staatspräsidenten Raul Castro, Mariela Castro Espin, zu tun haben dürfte. Sie ist Leiterin des Centro Nacional de Educación Sexual und kämpft seit langem für ein homofreundlicheres Klima und mehr Toleranz gegenüber schwullesbischen, bi- und transsexuellen Themen.

Trotzdem hat es die gleichgeschlechtliche Liebe nicht immer einfach. So war Rolando eines Tages spurlos aus der Szene verschwunden. Dann wurde er engumschlungen mit einer Frau gesehen. Später gar mit einem Baby. Jetzt ist Rolando wieder da. Er ist Vater, und damit ist er in eine Großfamilie eingebunden. Er wird also eines Tages nicht zu den traurigen alten Schwulen gehören, um die sich im Macho-Land Kuba kaum einer so recht kümmern will.

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