© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/12 08. Juni 2012

Wenn der deutsche Schutzmann ein Türke ist
Migranten in der Polizei: Die Politik setzt auf mehr interkulturelle Kompetenz, davon profitieren einseitig türkische Bewerber / Loyalitätprobleme werden ignoriert
Stefan Hug

Seit knapp zwanzig Jahren verfolgt Deutschland für den öffentlichen Dienst eine Personalpolitik, die der zunehmend heterogenen Zusammensetzung der Gesamtbevölkerung Rechnung tragen soll. Ausländer, oder genauer: Personen mit „Migrationshintergrund“, werden für den Staatsdienst rekrutiert und dienen als Polizisten, Soldaten, in Ämtern und anderen öffentlichen Einrichtungen.

Diese Entwicklung folgt der Neudefinition des wiedervereinigten Deutschland nach 1990: Aus der Bundesrepublik wurde die „bunte Republik“ – der frühere Bundespräsident Christian Wulff (CDU) hat den Begriff perspektivisch verwendet und ihn zum Zielpunkt seiner Amtsführung erklärt. Aus dem deutschen Staat als Heimstätte des deutschen Volkes ist also ein „multikulturelles“ Gemeinwesen geworden, in dem praktisch nicht nur jeder Ausländer als Individuum, sondern auch jede fremde Kultur und jede fremde Volksgruppe das Recht hat, sich auszuleben, ungehindert zu entfalten und kontinuierlich ohne „Assimilierungsdruck“ zu existieren.

Eine besondere Qualität erhält diese Beamten-Rekrutierungspraxis, wenn es sich um die Sicherheit, die öffentliche Sicherheit geht. Hier wird ganz besonders deutlich, daß eigentlich nicht „Migranten“ an sich, ohne Ansehen der Nationalität eingestellt werden sollen. Favorisiert werden ganz klar Angehörige aus Kulturkreisen, in denen der Islam die dominierende Religion darstellt.

Da wirbt der hessische Innenminister Bouffier (CDU) auch schon mal in der türkischen Zeitung Hürriyet, um Nachwuchs für hessische Polizeischulen zu bekommen. Die Pressestelle der Polizei Dortmund setzt noch einen drauf und warb kürzlich auf türkisch – ohne deutsche Übersetzung – um Nachwuchs: „Seni istiyoruz! Bizimle vardiyeye katil“ (Wir wollen Dich! Komm mit auf Streife).

Mehr „kulturelle Vielfalt in der Polizei“, mehr „interkulturelle Kompetenz“ heißen die Schlagworte, die Landesinnen- und Integrationsminister, Polizeipräsidenten und -gewerkschafter seit Jahren verbreiten. Doch die Realität sieht anders aus. Interessierte mit arabischen, polnischen, rumänischen oder italienischen Wurzeln bleiben außen vor. Eine Notiz der Stuttgarter Nachrichten gab im Juli 2008 eine Vorstellung davon, wie sich diese überproportionale Bevorzugung auswirkt: Von den Polizeibeamten Baden-Württembergs mit ausländischen Wurzeln hatten fast die Hälfte, 45 Prozent, einen türkischen Hintergrund – das bei einem bundesweiten Anteil der Türken innerhalb der ausländischen Bevölkerung von nur zirka einem Viertel. Knapp ein Drittel stammt aus den Ländern des früheren Jugoslawien (die nicht weiter aufgeschlüsselt werden), neun Prozent aus Italien, der Rest verteilt sich auf Spanien, Frankreich, Polen, Portugal und Ungarn.

Angaben des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg zufolge waren im Jahr 2008 von den 1,2 Millionen Ausländern im Land 162.000 Italiener (13,8 Prozent) und 286.000 Türken (24,4 Prozent ). Hierdurch wird im Detail deutlich, daß zum Beispiel Italiener in Uniform massiv unterrepräsentiert sind, während Türken unter den fremdstämmigen Polizisten des „Ländles“ fast das Doppelte ihres entsprechenden Ausländer-Bevölkerungsanteils ausmachen. Dabei gehört Baden-Württemberg noch zu jenen Bundesländern, in denen Türken verhältnismäßig schwach unter allen Ausländern präsent sind.

Dieses Mißverhältnis verweist sofort auf die erste Fragwürdigkeit der „Migranten-in-die Polizei“-Politik. Das Argument, es gehe um die proportionale Widerspiegelung der verschiedenen Volksgruppen in der Polizei, ist allein schon deswegen nicht stimmig, da offensichtlich eben nicht unter dieser Maßgabe eingestellt wird. Der hohe Anteil türkischstämmiger Beamter ist dem drängenden Aufgabendruck sowie der oftmaligen Hilflosigkeit der deutschen Beamten in den sogenannten Problemvierteln von Berlin-Neukölln, Hamburg-Wilhelmsburg, Essen-Katernberg oder Stolberg-Unterstadt geschuldet.

Gewünscht ist nicht die Abbildung der jeweiligen Ethnien nach Proporz, sondern man möchte die besonders problematische Klientel dadurch in Schach halten, daß man sie praktisch von deren „eigenen Leuten“ kontrollieren läßt – um damit deren Aufsässigkeit den Wind aus den Segeln zu nehmen. Für türkischstämmige Kollegen „sei es einfacher, einen Kontakt zu Türken herzustellen“, erklärt Josip Saric, Mainzer Polizist mit kroatischen Wurzeln, gegenüber der Frankfurter Rundschau und verweist auf die größere Vertrauensbasis unter Landsleuten: „Sie fühlen sich mehr respektiert, wenn nicht der deutsche Beamte mit erhobenem Zeigefinger daherkommt.“

Allerdings führt diese Strategie, türkischen Jugendlichen keine ethnischen Deutschen als Polizisten mehr zumuten zu wollen, in einen verhängnisvollen Teufelskreis. Je mehr türkischstämmige Polizisten engagiert werden, desto stärker wird sich bei der türkischen „Community“ in Deutschland die Anspruchshaltung verfestigen, nur mehr von ethnischen Türken polizeilich kontrolliert zu werden.

Doch dies ist nur die eine Seite des Problems. Eine andere taucht auf, wenn man in Betracht zieht, daß selbst jene „Überwacher“ sich im Zweifelsfall mehr der eigenen Ethnie und der eigenen Religionsgemeinschaft verpflichtet fühlen als dem deutschen Staat.

Negativbeispiele gibt es genug: In Hamburg stahl der 26jährige Kommissar Murat D., Mitglied des Rauschgiftdezernats, in den Jahren 2002/2003 insgesamt 2,4 Kilogramm sichergestellte Drogen aus der Asservatenkammer und ließ sie in der Kieler Rauschgiftszene über einen türkischen Bekannten verhökern. Diesem verkaufte er zusätzlich Informationen aus dem Polizeirechner. Nicht nur ein Desaster für das Rauschgiftdezernat, auch für die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei, warb Murat D. doch auf Flugblättern um ausländische Bewerber.

In Hessen wurde 2005 ein Polizeiangestellter entlassen, nachdem er eine bevorstehende Razzia bei Islamisten eine halbe Stunde vor Beginn der Aktion telefonisch verraten hatte. Der 24jährige Türke hatte unter anderem zwölf Jahre lang den Posten des Ausländerbeauftragten ausgefüllt. Der Polizeisprecher Seiderer bemühte sich, abzuwiegeln: Es gebe keine Hinweise darauf, daß der Mann schon früher Razzien verraten habe, er stehe außerdem nicht im Verdacht, mit Islamisten zu sympathisieren, sondern „wollte sich wohl einfach nur wichtig machen“ (FAZ, 29. September 2005).

Ebenfalls in Hessen wurde 2010 ein aus Marokko stammender Polizist in U-Haft genommen. Er hatte Informationen aus Datenbanken der Polizei abgerufen und „an ehemalige Landsleute weitergegeben“ (FAZ, 28. Mai 2010). Besonders pikant: Der Mann war gleichfalls als Ausländerbeauftragter bei der Polizei tätig.

Drei Fälle und ein Grundmuster: In der Polizei tätige Personen aus dem orientalischen Kulturkreis werden kriminell. Nun – es begehen auch Polizisten deutscher Ethnie Geheimnisverrat und stehlen Dinge aus der Asservatenkammer. Was die Fälle der drei Türken und des Arabers so bezeichnend macht, ist die Tatsache, daß sie ihre kriminellen Akte immer im Rahmen ihrer Volksgruppe und Glaubensbrüder begangen haben.

Der Hamburger „Polizei-Türke“ hätte den Stoff auch an einen deutschen Dealer verkaufen können – er bevorzugte aber einen türkischen Landsmann. Sein hessischer Kollege warnte Islamisten vor einer Razzia, nicht Scientology oder eine sonstige Sekte; der arabischstämmige Uniformträger verriet Daten nicht an irgendwen, sondern an „ehemalige Landsleute“. Zynisch formuliert: Hätten diese drei Polizisten ihre Gesetzesverstöße mit deutschen Mittätern begangen, hätte man von „geglückter Integration“ sprechen können.

Vor wenigen Tagen wurde nun auch der türkischstämmige Kommissar Ali K. aus Duisburg vorläufig suspendiert. Nach Recherchen der WAZ-Mediengruppe soll der 31jährige aus dem Polizeidienst entlassen werden, weil er als Salafist gilt. Er stelle die Scharia über die freiheitlich-demokratische Grundordnung, heißt es in Polizeikreisen.

Sollte die „Migranten-in-die-Polizei“-Schiene weitergefahren werden – und es gibt nichts, was auf das Gegenteil hindeutet –, dann wird sich der Anteil der Türkischstämmigen beziehungsweise der Muslime in der deutschen Polizei immer stärker erhöhen und solche Zahlen erreichen, daß geschlossene Polizeieinheiten möglich werden, also ganze Polizeiabteilungen, die nur aus Türken bestehen. Interessanterweise hat das „Deutsch-Türkische Forum in der CDU“ solch geschlossene Einheiten bereits gefordert und will mit ihnen auch Moscheegemeinden überwachen.

Angesichts der breit angelegten und nur positiv bewerteten Forderung nach Polizeianwärtern mit ausländischen Wurzeln geht völlig die Frage nach der Loyalität unter. Vielleicht wird sie sogar bewußt ignoriert? Wem werden sich diese Polizisten langfristig verpflichtet fühlen, zumal die Einstellungskriterien dahingehend geändert wurden, daß selbst für den höheren Polizeidienst nicht einmal mehr der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft nötig ist?

Doch nicht nur die Loyalitätsfrage stellt die künftige „Vielfalt“-Polizisten vor große Aufgaben – auch andere Unwägbarkeiten werden damit geschaffen. Man stelle sich nur einmal vor, im Ruhrgebiet stößt eine aggressive, für ein unabhängiges Kurdistan demonstrierende Gruppe auf eine mehrheitlich mit Türken besetzte Polizeieinheit. Oder Polizisten, die der liberalen alevitischen Glaubensrichtung anhängen, sollen einen Demonstrationszug sunnitischer Islamisten begleiten.

Die forcierte Einstellung von verschiedenen Volksgruppen – speziell von Orientalen aus dem muslimischen Kulturkreis – könnte die Polizeiarbeit, anstatt sie zu erleichtern, oftmals verkomplizieren. Sie wird brisante Lagen eher noch anfachen, als sie zu entschärfen.

 

„Vielfalt in der Polizei“

Das Polizeirecht ist Ländersache. Entsprechend unterschiedlich heißen die Programme, die das Programm „Mehr Migranten in die Polizei“ umsetzen sollen. „Vielfalt in der Polizei“ heißt es in Rheinland-Pfalz. Zu dessen besserer Umsetzung haben Anfang Januar in Mainz das Integrationsministerium, das Polizeipräsidium und das Institut zur Förderung von Bildung und Integration (INBI) einen Kooperationsvertrag unterzeichnet. In den nächsten drei Jahren sollen demnach junge Menschen aus Migrantenfamilien bei einer Bewerbung für den Polizeidienst gezielt unterstützt und während ihrer Ausbildung gefördert werden. Zusätzlich wird eine weitere „Sensibilisierung für interkulturelle Vielfalt in der Rekrutierungs- und Einstellungspraxis“ beim Polizeipräsidium angestrebt. Das Projekt wird im Rahmen des Bundesprogramms „Xenos – Integration und Vielfalt“ aus Mitteln des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Europäischen Sozialfonds gefördert. Die Kofinanzierung erfolgt aus Mitteln des Ministeriums für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen sowie des Polizeipräsidiums Mainz.

Foto: Polizeiwerbung in den Kellerräumen einer Moschee in Wülfrath (Nordrhein-Westfalen): „Vielfalt“ ist nur ein Schlagwort, denn die meisten Polizeianwärter sind türkischstämmig

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