© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/12 08. Juni 2012

Zeitschriftenkritik: Frankfurter Rundschau Geschichte
Aufstieg wie Phönix aus der Asche
Werner Olles

Goethes Stadt beginnt neu“ titelte am 21. April 1945 die erste Ausgabe des alliierten Nachrichtenblattes Frankfurter Presse. Wenige Tage nachdem Panzertruppen der US-Armee in die Stadt vorgedrungen waren, meldete der amerikanische Sender die Einnahme von Frankfurt. Knapp sechs Wochen vor der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht war der Krieg dort zu Ende. Die Situation zur „Stunde Null“ sah jedoch furchtbar aus: 50 Prozent des Wohnraums waren durch die verheerenden Flächenbombardements völlig zerstört, 34 Prozent beschädigt, die Restbevölkerung – etwa 250.000 Bürger, die in der Stadt ausgeharrt hatten – lebte in großer Not, jegliche Versorgung stockte, und zudem beschlagnahmten die Amerikaner noch viele Wohnungen. Ausgangsbeschränkungen behinderten das Leben, einfache Parteimitglieder verloren ihre Stellung, die Ernährungslage war trotz des blühenden Schwarzmarktes und der Massenspeisungen prekär. Doch regte sich selbst in dieser schwierigen Lage mühsam und zaghaft neues Leben: Auf Trümmergrundstücken wurden Gärten angelegt, schon bald verkehrten die ersten Straßenbahnen, Radio Frankfurt sendete, und sogar der Zoo, der allerdings durch die Bombardierungen schrecklich verwüstet war, öffnete wieder seine Tore.

Auf die Epoche vom Kriegsende bis zur Währungsreform 1948 folgte ein Jahrzehnt erstaunlichen Wiederaufbaus, in dem die Stadt ähnlich dem Phönix aus der Asche emporstieg. Über diese Jahre, in denen der Wiederaufbau alle Schichten der Bevölkerung vereinte, die aus der Evakuierung und der Gefangenschaft Heimgekehrten, die heimatvertriebenen Flüchtlinge und die in Frankfurt Gebliebenen, berichtet die aktuelle Ausgabe der Reihe Frankfurter Rundschau Geschichte unter dem Titel „Die fünfziger Jahre in Frankfurt“. Wer das heutige Frankfurt verstehen will, der kann dies nur, wenn er die Wiedergeburt und die Wachstumsjahre dieser Stadt kennt, die großen und zum Teil hochfliegenden und verstiegenen Zukunftspläne wie die kleinen Geschichten aus jener Zeit, in der der alltägliche Kampf ums Dasein in den Trümmerwüsten stattfand. Doch die Bürger krempelten die Ärmel hoch, räumten den Schutt weg und bauten auf. So wuchsen aus den Trümmern Neubauten, entstanden Siedlungen, und allmählich vergaß und verdrängte man die Ängste und Strapazen des verheerenden Krieges.

Trotz aller Anstrengungen prägten in den fünfziger Jahren noch lange Trümmergrundstücke, Behelfswohnungen und Schwarzmärkte den städtischen Alltag, von den geistigen Verwüstungen, die die Schrecken der Kriegszerstörungen angerichtet hatten, ganz zu schweigen. Und so finden sich Bilder in diesem Band, Momentaufnahmen von großer Sensibilität, Wirklichkeitssignaturen, deren Authentizität heute den Atem stocken läßt. Wir befinden uns plötzlich auf einem Ausflug in die Vergangenheit der Stadt und der Bundesrepublik und in die fünfziger Jahre, die nicht nur ihre Geburtsära, sondern bis heute ein Teil ihres Wesens sind.

Kontakt: Druck- und Verlagshaus Frankfurt am Main. Karl-Gerold-Platz 1, 60594 Frankfurt. Das Heft kostet 4,95 Euro.

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