© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/12 08. Juni 2012

Frisch gepresst

Goltz Pascha. Unter den neueren Kriegsdenkern genießt der aus ostpreußischem Adel stammende Colmar von der Goltz (1843–1916) den Ruf eines „wilhelminischen Clausewitz“. Ein hohes Ansehen, das sich auf das Werk „Ein Volk in Waffen“ von 1883 des damaligen Majors im Großen Generalstab stützt. Bald Pflichtlektüre an allen Militärakademien rund um den Globus, lehrt die Arbeit den modernen Krieg als „industrialisierten Volkskrieg“, den allein die Nation gewinne, die zur Mobilisierung aller geistigen und materiellen Ressourcen fähig sei. Zur legendären Gestalt wurde Goltz Pascha jedoch nicht als einer der „weltweit berühmtesten Militärtheoretiker“, sondern als „Geburtshelfer der modernen Türkei“, der die Streitkräfte des maroden Osmanischen Reiches reorganisierte, und mehr noch als Feldherr, der seit 1915 die „Globalisierung des Krieges“ im Nahen Osten forcierte. Bei einem so prallen Leben muß erstaunen, daß es mit dem Berner Historiker Carl Alexander Krethlow erst jetzt einen Biographen fand. Wacker gegen seine zeitgeistkonforme Abneigung gegenüber dem „Kriegshetzer“ Goltz anschreibend, ist ihm damit ein überraschend großer Wurf gelungen. (ob)

Carl Alexander Krethlow: Generalfeldmarschall Colmar Freiherr von der Goltz Pascha. Eine Biographie. Schöningh Verlag, Paderborn 2012, gebunden, 749 Seiten, Abbildungen, 68 Euro

 

Dialektisches. Der Kulturphilosoph Ernst Cassirer (1874–1945), dessen Biographie als „Humanist“, „Weltbürger“ und jüdischer Emigrant alles bietet, um den Adrenalinspiegel jungdeutscher Adoranten auf konstanter Höhe zu halten, ist für den Kölner Privatgelehrten Stefan Dornuf nur ein lesenswerter Autor, der aber vom „Niveau seiner Fragen her“ nicht wirklich in jener Liga spielt, wo man auf Carl Schmitt, Arnold Gehlen, Alexandre Kojève oder Theodor W. Adorno treffe. Legere Hiebe wie gegen den philosophischen B-Kläßler Cassirer sind in Dornufs „Dialektischen Untersuchungen“ Legion. Dornuf zieht als polemisches Spitzentalent mit entlarvendem Sprachwitz gegen „Denkverbote & Dilettantismen“ zu Felde, die zum Markenzeichen jener auf Maulwurfshügelniveau liegenden bundesdeutschen Diskurse geworden sind. Dornufs Wundertüte mit Anleitungen zum Selbstdenken, gewidmet Schmitt, Kojève, Leo Strauss, George Lichtheim und Noam Chomsky, mittendrin eine kabarettreife Abfertigung des „Habermas-Konfirmanden“ Hauke Brunkhorst und des „Marxismus à la Francfortaise“, endend mit einem „Ausflug ins Schattenreich der Political Correctness“, führt vor, wie die intellektuelle Kultur in dieser Republik aussehen könnte, würde sein Beispiel Schule machen. (dg)

Stefan Dornuf: Dialektische Untersuchungen. Philosophica et Philologica minora. Verlag Müller & Nerding, München 2012, broschiert, 120 Seiten, Abbildungen, 12 Euro

 

Historisches Kalenderblatt

11. Juni 1952: Parteichef Kurt Schumacher gibt die Absicht der SPD bekannt, eine Revision des Deutschland- und EVG-Vertrags zu erwirken, da sie keine Gleichberechtigung der Bundesrepublik garantierten und eine Wiedervereinigung erschwerten.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen