© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/12 15. Juni 2012

Eine gegen alle
Runde der Parlamentswahl in Frankreich: Prestigeerfolg für Front National
Friedrich-Thorsten Müller

Nach dem ersten Wahlgang zur Parlamentswahl in Frankreich zeichnet sich für die Stichwahl am kommenden Sonntag eine absolute Mehrheit für die Sozialisten und ihre grünen Bündnispartner ab. Bei einer Wahlbeteiligung von nur 57 Prozent gingen die Sozialisten am Sonntag mit 29,4 Prozent als stärkste Kraft aus der ersten Wahlrunde hervor. Unter Berücksichtigung der zu erwartenden Wahlempfehlungen für den zweiten Wahlgang, ist damit zu rechnen, daß François Hollande mit einer linken Mehrheit in der Nationalversammlung durchregieren können wird.

Die bürgerliche UMP unter Jean-François Copé liegt zwar mit 27,1 Prozent nicht bedeutend schlechter. Allerdings hat sie durch ihren grundsätzlichen Abgrenzungskurs gegenüber dem mit 13,6 Prozent drittplazierten rechten Front National (FN) Marine Le Pens kaum Möglichkeiten für strategische Wahlabsprachen. Und das, obwohl der FN in fünf der 577 Wahlkreise die stärkste politische Kraft geworden ist und in vielen anderen besser abgeschnitten hat als die Konservativen, so daß theoretisch genug Tauschgeschäfte durch wechselseitige Kandidatenrückzüge und Empfehlungen möglich wären.

Gleichwohl gibt es unter dem Eindruck der Verdreifachung des Stimmenanteils des FN gegenüber der letzten Parlamentswahl (2007: 4,3 Prozent) erste Zersetzungserscheinungen dieser Abgrenzungspolitik. Dazu dürfte vor allem auch die erfolgreiche Entdämonisierungspolitk von Marine Le Pen beigetragen haben. So verweigern sich die Bürgerlichen für die Stichwahl einer „republikanischen Front“ mit den Sozialisten, wie sie noch 2002 gegen Jean-Marie Le Pen im Kampf um das Präsidentenamt ausgerufen wurde.

Das heißt, die UMP will in keinem der 61 Wahlkreise, in denen der FN in die zweite, entscheidende Runde gekommen ist, ihre Kandidaten zurückziehen, um mit einer entsprechenden Wahlempfehlung für einen Sozialisten dann einem aussichtsreichen FN-Kandidaten die Wahlchancen zu verbauen.

Im Gegenteil erklärte inzwischen im südfranzösischen Wahlkreis 16 im Departement Bouches-du-Rhône der drittplazierte UMP-Kandidat Roland Chassain seinen Verzicht auf einen Wahlantritt im zweiten Durchgang zugunsten der zweitplatzierten FN-Kandidatin Valérie Laupies, der er sich politisch näher fühlt. Es ist nicht auszuschließen, daß dies bereits jetzt weitere regionale Absprachen nach sich zieht. Marine Le Pen erklärte sich schon vor der Wahl ausdrücklich zu „Einzelfallunterstützungen patriotischer UMP-Kandidaten“ bereit.

Generell sind durch das wenig repräsentative Mehrheitswahlrecht, trotz seines guten Abschneidens, die Wahlchancen des FN auf realistisch null bis drei Abgeordnete zusammengeschmolzen. Zumal die Sozialisten inzwischen versuchen, weniger aussichtsreiche eigene Kandidaten auch ohne Vereinbarung mit den Konservativen zum Rückzug aus dem zweiten Wahlgang zu bewegen, wo dies die Wahlchancen des FN schmälern könnte.

Am aussichtsreichsten dürfte darum die Kandidatur der Parteivorsitzenden Marine Le Pen sein, die mit sensationellen 42,4 Prozent in ihrem Wahlkreis in der Region Pas-de-Calais in die Stichwahl einzog. Insbesondere die Deklassierung ihres linksextremen Präsidentschaftsrivalen Jean-Luc Mélenchon im selben Wahlkreis, der nicht in die nächste Wahlrunde gekommen ist, kann bereits als großer Prestigeerfolg gewertet werden.

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