© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/12 15. Juni 2012

Der Versicherungskonzern Allianz verliert massiv Marktanteile
Mehr Hechte im Karpfenteich
Markus Brandstetter

Viele Märkte lassen sich mit einem Fischteich vergleichen: Dort leben viele mittelgroße Karpfen. Dann gibt es viele kleinere Fische, die als Futter für die anderen dienen. Und dann gibt es ein, zwei Hechte, die das Gewässer im Griff haben, weil sie jeden anderen Fisch fressen können. Ökosysteme können wie Märkte über Jahrzehnte stabil bleiben. Aber irgendwann wird das Gleichgewicht empfindlich gestört. Neue Hechte tauchen auf, manchmal sogar Piranhas, die die alten Verhältnisse umkrempeln, bis nichts mehr so ist, wie es einmal war.

Genau das hat sich im deutschen Versicherungsmarkt in den letzten 50 Jahren abgespielt, wie eine neue Langzeitstudie des Instituts für Versicherungswissenschaft an der Uni Köln zeigt. Der Hecht, der den Markt dominiert, ist damals wie heute die Allianz AG. 1960 hatte das Unternehmen einen Marktanteil von einem Fünftel. Aber das ist nur der Durchschnitt, in den einzelnen Marktsegmenten war die Allianz noch stärker. Spektakuläre 25 Prozent aller Policen auf dem Gebiet der Schadensversicherungen wurden damals mit der Allianz abgeschlossen. Bei den Lebensversicherungen waren es 1960 fast 15 Prozent, in der Krankenversicherung zehn Prozent.

Inzwischen haben sich die Machtverhältnisse im Teich jedoch gravierend verändert. Die Allianz verfügt immer noch über den größten Marktanteil, aber der liegt nun bei 16 Prozent. Vier Prozentpunkte Unterschied mag nicht viel erscheinen, gemessen an der Summe der bezahlten Prämien sind das jedoch Welten. Die Aufsteiger sind an den Branchenprimus gefährlich nahe herangerückt. Die öffentlich-rechtlichen Versicherungen und der Deutschlandableger der italienischen Generali sind bei den Lebensversicherungen nun bald so stark wie die Allianz. Ergo und Debeka dominieren das Geschäft bei den Krankenversicherungen, während R+V und HUK bei den Schadenversicherungen aggressiv gewachsen sind.

Noch interessanter ist der Blick darauf, wie sich die Marktanteile von 1960 bis 2010 verändert haben. Der größte Gewinner über alle Marktsegmente hinweg ist die als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) arbeitende Debeka, die ihren Anteil um 3,43 Prozentpunkte steigern konnte. Dicht dahinter liegen die Öffentlich-Rechtlichen, R+V und die HUK, die ihren relativen Marktanteil um beeindruckende 843 Prozentpunkte steigerte. Die HUK, die als langweilige VVaG für kraftfahrende Beamte begann, hat sich zum Universalanbieter im Privatkundengeschäft entwickelt und den steilen Aufstieg aus eigener Kraft, also ohne die Übernahme anderer Versicherer, geschafft. Zwei weitere wichtige Dinge zeigt die Studie noch: Wachstum aus eigener Kraft ist besser als Wachstum durch Zukauf und Übernahme. Und: Spezialversicherer mit Internet- und Direktvertrieb schlagen Allgemeinversicherer mit Außendienst.

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