© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/12 15. Juni 2012

Blauer Transferrubel
Euro-Krise I: Irrweg Fiskal- und Bankenunion – nach ihrer Rettung ist die EU-Gemeinschaftswährung nur noch eine Binnenwährung
Wilhelm Hankel

Weder die professionellen Euro-Retter noch die Kritiker vom Dienst beantworten die Frage, wie der Euro nach seiner „Rettung“ dastehen wird: als harte Weltwährung, die schwächelnde Konkurrenten wie den Dollar weit hinter sich läßt – oder als Währungskrüppel, der zwar in der Euro-Zone (soweit sie noch existiert) als „gesetzliches Zahlungsmittel“ umläuft, aber seine eigentliche Währungsqualität (in dem der Bürger spart, Vermögen bildet und hält) verloren hat.

Dabei ist die Zukunft des Euro, wenn man ihn weiter so rettet wie bisher, absehbar. Das jeder ökonomischen Einsicht und politischen Verantwortung hohnsprechende Konzept der Euro-Retter lautet: Wir ertränken die Schulden der Staaten und ihrer Banken (die ihnen dazu verholfen haben) in Inflation. Wir drucken immer neue Euro, um die alten (geschuldeten) Euro zu retten.

Die Europäische Zentralbank (EZB) bekennt sich offen dazu: Sie bekämpft nicht mehr die Inflation (wozu die Statuten verpflichten); sie bekämpft die Krise (wozu sie nicht befugt ist), indem sie bankrotte Staaten mit frischem Geld ausstattet (durch Kauf von deren Anleihen), den Zentralbanken der Krisenländer die bei ihnen abfließenden Euro ersetzt (Target-2) und die Banken in Billionenhöhe zum Ein-Prozent-Tarif mit Liquidität versorgt, damit sie möglichst viele der alten und neuen Staats- und Privatschulden übernehmen – sprich: weiter finanzieren und dabei auch noch gut verdienen, denn die Marge zwischen ihrem Bankkredit- und dem EZB-Zins war noch nie so hoch wie in dieser Krise.

Vergleicht man diese Eruption in der Geldwirtschaft mit den krisenbedingt mageren Ergebnissen (Produktion, Umsätzen) der Realwirtschaft, dann ist eine europäische Hyperinflation (für Deutschland die dritte in hundert Jahren) programmiert. Der Bürger wird fragen: Warum spüre ich die Inflation noch nicht? Erstens hatten wir bis vor kurzem Hyperinflation an Börsen und Finanzmärkten, bis die Unsicherheit über den weiteren Krisenverlauf die Blasen dort platzen ließ. Zweitens bremst die Krise zwar den Preisauftrieb heute, aber nicht morgen, wenn immer mehr verzweifelte Menschen ihre Konten und Geldvermögen auflösen (wie in Griechenland) und in die Sachwerte fliehen – was beim Gold mit entsprechender Preisexplosion bereits seit einigen Jahren stattfindet. Eine zweite Front der Euro-Rettung wird nun mit den Stichworten: ESM, Fiskalpakt und Bankenunion eröffnet.

Der Geldspritze, die nur Anreize schafft, den gegenwärtigen Schuldenstand beizubehalten und nicht fällig zu stellen, soll nun die kontrollierte Verwaltung, Übernahme und Umverteilung dieser Schulden folgen: ihre Vergemeinschaftung. Es wäre der Masterplan der EU-Quadriga aus Herman Van Rompuy (EU-Rat), José Manuel Barroso (EU-Kommission), Jean-Claude Juncker bzw. Nachfolger (Euro-Gruppe) und Mario Draghi (EZB) – doch nur, wenn er funktioniert. Mit dem ESM entsteht nicht nur Europas größte Bank (ihr Eigenkapital von 700 Milliarden übertrifft das der EZB um das 130fache, das der Bundesbank um das 70fache, das der Deutschen Bank um das 13fache!), sondern der Welt. Frei nach Hamlet: Wenn es schon Wahnsinn ist, so hat er Größe, aber keine Methode. Denn der neue Euro-Schuldenverwalter (geplantes Ankaufsvolumen 500 Milliarden Euro) kontrolliert nicht, sondern sprengt den europäischen Finanzmarkt; sein Volumen von 1,2 Billionen Euro (700 plus 500) bringt er entweder nie auf, oder er blockiert den europäischen Finanzmarkt für alle anderen staatlichen und/oder kommerziellen Nutzer.

Die EU macht sich zur Kommandozentrale an den wettbewerblich geordneten Finanzmärkten der EU-Länder und stellt sie in den Dienst ihrer eigenen Ziele, oder versucht es. Das sich vereinigende Europa, das als marktwirtschaftliches Projekt begann, wird über den Euro und seine Rettung zur dirigistisch und sozialistisch gesteuerten Schuldenverwaltung, ähnlich der DDR-Treuhand, nur mit umgekehrtem Ziel und Vorzeichen. Und der Euro? Er wird in diesem Markt zur EU-Binnenwährung. Eines erneuten Rechtsbruches dafür bedarf es nicht mehr. Artikel 64 EU-Vertrag sieht ohnehin „Ausnahmen im Kapitalverkehr mit Drittstaaten“ vor, eine verschämte Umschreibung für die Einführung von Devisenbewirtschaftung und Transferrubelbewilligungen à la Sowjetunion und Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe.

 

Prof. Dr. Wilhelm Hankel war Leiter der Währungsabteilung des Wirtschaftsministeriums und Chef der Bank- und Versicherungsaufsicht. Er klagte mit Fachkollegen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Griechenlandhilfe und den Euro-Rettungsschirm.

Foto: Euro-Zukunft: Wir ertränken die Schulden der Staaten und ihrer Banken in Inflation

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