© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/12 15. Juni 2012

Auf Kosten der Steuerzahler
Euro-Krise II: Wenn „Rettungsfonds“ Banken rekapitalisieren, fließen die Milliarden für die Falschen / Keine verfassungsrechtliche Grundlage für Hilfszahlungen
Wolfgang Philipp

Spanien bekommt über den ersten Euro-Rettungsfonds EFSF bis zu 100 Milliarden Euro an Notkrediten für seinen bankrottreifen Bankensektor. Die Gelder fließen zunächst an die spanische Regierung und werden von ihr an den dortigen Bankenrettungsfonds FROB weitergereicht. Sparauflagen werden Madrid dafür aber nicht gemacht. Ursprünglich war der EFSF nur dazu gedacht, überschuldete Euro-Länder wie Griechenland, Irland oder Portugal vor dem Staatsbankrott zu bewahren.

Im künftigen dauerhaften Rettungsfonds ESM ist dies explizit vorgesehen, denn nach dem „Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus“ kann der Gouverneursrat beschließen, Darlehen an ein ESM-Mitglied zum Zwecke der Rekapitalisierung von Finanzinstituten zu gewähren. In der Sache gibt es keine Bestimmungen darüber, wie eine solche „Rekapitalisierung“ aussehen soll, welche Wirkungen sich daraus ergeben und welche Mißbrauchsmöglichkeiten bestehen.

Für Griechenland wurde mit dem internationalen Währungsfonds, der EU und der Europäischen Zentralbank (EZB) eine Kapitalspritze von 50 Milliarden Euro allein für die griechischen Institute ausgehandelt. 25 Milliarden Euro wurden bereits überwiesen, von denen die griechische Regierung 18 Milliarden Euro „weitergereicht“ hat. Damit sollte eine den Banken drohende Liquiditätsklemme vermieden werden. „Die Rekapitalisierung hat dennoch nur einen vorläufigen Charakter, denn eigentlich sollte dafür eine gesetzliche Grundlage erarbeitet werden, in der geregelt werden müßte, ob die Banken das Staatsgeld im Gegenzug für Aktien oder etwa für Wandelanleihen erhalten. Dies wird in die Zeit nach den Wahlen vom 17. Juni verschoben“, heißt es in einem FAZ-Bericht.

So ein Vorgang sucht in der Geschichte seinesgleichen: 18 Milliarden Euro wurden weitergereicht, ohne daß die Bedingungen rechtlich festgelegt worden sind! Gegenstand der „Rekapitalisierung“ ist das Eigenkapital der in Rede stehenden Banken, bei denen es sich in der Regel um Aktiengesellschaften handeln dürfte. Kredite würden diesen Banken nicht mehr helfen.

Wie aber kann man einer Aktienbank Eigenkapital zuführen? In Frage kommen nur zwei Möglichkeiten: Entweder durch „Schenkung“ oder gegen Ausgabe von jungen Aktien, die dann in den Besitz des Geberstaates gelangen. Schenkungen wird man ausschließen: Sie hätten zur Folge, daß zwar die Eigenkapitalverhältnisse der Aktienbank sich verbesserten, aber auch, daß die „abgestürzten“ Aktien der bisherigen Aktionäre ohne Gegenleistung wieder aufgewertet werden. Außerdem sehen weder die Verträge über die „Rettungsschirme“ noch irgendwelche Staatshaushalte vor, daß Geld an Aktiengesellschaften verschenkt werden kann.

Bleibt die Möglichkeit von Kapital­erhöhungen. Doch wer soll die jungen Aktien erhalten? Das kann nach Lage der Dinge nur derjenige sein, der das Geld gibt, also der griechische oder sonstige Geberstaat. Dieser müßte zu einem zeitnah zu bestimmenden letzten Börsenkurs die jungen Aktien zeichnen und dafür die angebotenen Einlagen leisten. Das hätte zwangsläufig zur Folge, daß der Staatsanteil an der jeweils betroffenen Bank stark ansteigt, die Mehrheit überschreitet und damit eine Verstaatlichung der Bank stattfindet.

Zahlt der „Investor“ in Form des ESM oder einer anderen europäischen Institution neues Eigenkapital ein und liegt der „Bezugskurs“ über dem letzten Börsenkurs der umlaufenden Altaktien, so findet eine „Quersubventionierung“ statt. Das nach der Kapitalerhöhung insgesamt vorhandene Grundkapital verteilt sich rechnerisch auf alle Aktien und führt damit ebenfalls zu einer Aufwertung der Altaktien.

Ein solcher Effekt darf aber nicht eintreten: Die „Rekapitalisierung der Banken“ würde sich als ein auf Kosten der deutschen und europäischen Steuerzahler gehendes Verfahren entpuppen, Kursverluste der bisherigen Alteigentümer dieser Banken auszugleichen. Wenn die EU-Gremien oder auch die beteiligten Regierungen sich an einem solchen Geschehen beteiligten, wird man gegebenenfalls Straftatbestände wie Untreue in Betracht ziehen müssen. Auch in diesem Falle wird es in aller Regel zu einer Mehrheitsbeteiligung des Staates kommen. Deshalb kann man den Satz formulieren: Bankenrekapitalisierung führt zur Sozialisierung des Bankwesens in den betreffenden Staaten.

Des weiteren ist nicht einzusehen, weshalb die Aktien bei diesen Staaten verbleiben sollen, wenn doch das Geld vom Rettungsfonds EFSF, dem ESM oder anderen europäischen Gremien stammt. Es ist deshalb vorzusehen, daß Staaten, die auf diese Weise EU-Gelder zur Rekapitalisierung von Banken verwenden, die ihnen zufließenden Aktien an den ESM oder die anderen betroffenen europäischen Gremien verpfänden: Wenn die Sanierung gelingt, werden die Aktien wieder werthaltig werden, und das Ganze kann ohne Verluste ablaufen. Es kann aber nicht so sein, daß in diesem Falle die Aktien etwa in Griechenland verbleiben, während Griechenland seine Schulden beim ESM nicht zurückzahlt.

Der Bundestag ist daher aufzufordern, von der Bundesregierung Rechenschaft zum Thema „Bankenrekapitalisierung“ abzulegen und darzulegen, wie die Verfahren ablaufen und wie Mißbräuche vermieden werden. Bei dieser Gelegenheit hätte die Bundesregierung auch zu erklären, ob es überhaupt dem Grundgesetz entspricht, daß der deutsche Steuerzahler im Rahmen der EU-Integration nicht nur für die Schulden anderer Staaten aufkommen soll, sondern auch noch für Schulden fremder Banken.

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