© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/12 15. Juni 2012

„Dieser Staat muß eines Tages scheitern. Wir alle werden es erleben!“
PsK: Wie die heute fast vergessene Propaganda-Einheit der Bundeswehr versuchte, in der DDR Aufklärungsmaterial über das SED-Regime zu verbreiten
Friedrich-Wilhelm Schlomann

Wer Bundeswehroffiziere nach Existenz und Tätigkeit der einstigen „Psychologischen Kampfführumg“ (PsK) fragt, wird fast immer auf Unkenntnis stoßen. Anfang 1959 wurde sie im Bundesverteidigungsininisterium als „Fü B/VII“ gebildet, der aus Ost-Spezialisten der Bundeswehr und dem Zivilbereich, einstigen BND-Angehörigen sowie bisherigen Journalisten bestand. Auftrag war: „Die Nationale Volksarmee über die Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland und der Nato zu informieren. Vorurteile und Haß gegenüber der Bundeswehr und der Bundesrepublik abzubauen. Die Grenztruppen der NVA zur Achtung des Völkerrechts und zu menschlichem Verhalten aufzufordern, insbesondere den Schießbefehl zu umgehen.“

Da Unterlagen nur noch bruchstückhaft vorhanden sind, läßt sich der Umfang der damals in die DDR eingeschleusten Flugblätter nicht exakt bestimmen. Beteiligte gehen von jährlich 15 bis 18 Millionen unterschiedlichster Art aus. Die erfolgreichste „Waffe“ der PsK war eine Flugzeitung, die in ihrem Kopf der offiziellen Volksarmee täuschend ähnlich nachgedruckt war – häufig nur teilweise, oft jedoch völlig und sogar auf DDR-Papier. Ihre Auflage betrug zumeist 500.000, sie erschien indes unregelmäßig und wies stets eine – wechselnde – Deckadresse in West-deutschland auf, an die man mit verstellter Schrift und fingiertem Absender schreiben sollte. Ständiges Thema war der Schießbefehl: „Schieß nicht! Triff nicht! Bleib weiter anständig!“ Immer wieder hieß es ebenso: „Dieser Staat muß eines Tages scheitern. Er wird scheitern. Wir alle werden es erleben!“

Die fingierte Mitteldeutsche Arbeiter-Zeitung mit ähnlicher Auflagenhöhe behandelte primär die wirtschaftlich-soziale Lage der Bundesrepublik und bildete ein Gegengewicht zur SED-Propaganda von „Elend“ und „Ausbeutung“ im Westen. Die Rote Fahne (der Name der einstigen KPD-Zeitung) wiederum war für SED-Funktionäre in NVA-Standorten bestimmt. In ihren rund 20.000 Exemplaren ging sie ständig auf den Disput zwischen Moskau und Peking ein und forderte innerparteiliche Redefreiheit.

In Anlehnung an die für Polit-Offiziere bestimmten Schriften gab die PsK „Grundlagen-Material für den Politunterricht der NVA“ heraus. Sie charakterisierte „20 Jahre DDR sind: Bedenkenlose politische Moral, die Soldaten mit dem Schießbefehl gegen Wehrlose, und seien es Kinder, zu Henkern machte, und die Anerkennung der selbstverständlichsten Menschenrechte nur heuchelt.“

Ab 1966 fälschte man die grünen Dienstbücher der Grenzsoldaten: Ihr neuer Inhalt bestand in Büchern bekannter Ex-Kommunisten. Zumeist wurde diese jeweils 5.000 „Mikro-Bücher“ auf tropenfestem, sonst nur von der Pharma-Industrie verwendetem besonderen Dünndruck-Papier hergestellt; es war wasserresistent und konnte lange Zeit im Freien liegen – ohnehin waren die – Exemplare in PVC-Folien eingeschweißt.

Häufigste Art, mit diesem Informationsmaterial DDR-Uniformierte zu erreichen, war der Einsatz großer Luftballons. Ihre Tragkraft betrug – je nach Größe – bis zu 12.200 Flugblätter oder 200 Flug-Zeitungen; pro Einsatz-Nacht ließ man bis zu 300 Ballons aufsteigen, deren Last durch einen Uhrmechanismus ausgeklinkt wurde und dann buchstäblich aus dem Himmel fiel. Jedes Bundeswehr-Korps verfügte über eine PsK-Kompanie mit insgesamt knapp 300 Mann; sie operierten zumeist von einem gut abzusichernden Waldstück in Zonenrandnähe aus. Ebenfalls benutzte man den Postweg von der Bundesrepublik und gelegentlich von den Niederlanden.

Um Beschlagnahmungen durch die DDR-Zensur möglichst gering zu halten, wurden nie mehr als zehn Briefe gleichzeitig aufgegeben. Manche gingen von Brüssel mit der „Aeroflot“ nach Moskau und von dort in die DDR – wobei die Postzensur faktisch nur gegen Sendungen aus dem Westen bestand.

Es gab damals etliche Aktionen: Im Sommer 1963 etwa wurden an der gesamten Ostseeküste 100.000 kleine rote Bälle mit Slogans gegen das DDR-Regime angespült. Jahre später warf die PsK viele DDR-Schriften gegen die Bundeswehr mit einem entsprechenden Hinweis per Ballons über DDR-Stellungen ab: Sagten diese doch das völlige Gegenteil von dem, was die Grenzer im Politikunterricht hörten!

Eines Tages ließen angebliche albanische Sportflugzeuge an der Zonengrenze eine „Sonderausgabe für die Genossen in der Deutschen Demokratischen Republik“ des albanischen KP-Zentralorgans Zeri i Popullit mit ideologischen Attacken gegen die SED-Führung fallen, welche die Westwinde bis weit in die DDR trugen. Alle Ost-Experten der Bundesrepublik erachteten die Flugschrift als echt, tatsächlich war es ein Psk-Erzeugnis. Der Grundlagenvertrag mit Ost-Berlin beendete diese Aufklärungsarbeit Ende Juni 1972. Westdeutschland hatte damit sämtliche Zugänge zu den Soldaten jenseits der Zonengrenze endgültig verloren.

PsK-Zeitung zur Verbreitung in der DDR: Bis zu 18 Millionen Flugblätter wurden eingeschleust

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