© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/12 22. Juni 2012

Wahlkampf in Amerika
Obamas Strategie
Herbert Ammon

Zuweilen treffen Prognosen ins Schwarze. Bereits im Februar 2011 dünkte mir als Ergebnis der von medialem Überschwang begleiteten arabischen Facebook-Revolution eine verbesserte Version des ägyptischen Militärregimes wahrscheinlich. Angesichts des islamistischen Vormarsches erscheinen in den nämlichen Medien realdemokratisch ermittelte Wahlergebnisse plötzlich politisch nicht mehr so zwingend.

Daß der arabische Frühling in Libyen im Desaster mündete, war von Anbeginn erkennbar, nicht anders als das factum brutum, daß hinter dem Aufstand gegen Syriens Präsident Assad Jr. von Saudi-Arabien finanzierte und bewaffnete radikale Sunniten stecken.

Es steht zu hoffen, daß Hollandes Interventions-drohung nur als Wahlkampfgag diente. Folgenreicher hingegen des ENA-Sozialisten Nahziel: Wachstum. Da fällt nach EU-gerechtem Wahlresultat in Hellas die Prognose nicht schwer: Kein deutscher Weg führt über Fiskal- und Schuldenunion an Euro-Weichwährung und Inflation vorbei.

Schwieriger hingegen die Vorhersage bezüglich der Novemberwahlen in Amerika. Während Hillary Clinton weltweit fürs Gute sorgt, sorgt sich Barack Obama um die richtige Wahlstrategie. Nachdem den Demokraten in der einstigen Hochburg Wisconsin die Abwahl (recall) des republikanischen Gouverneurs Scott Walker mißlang, scheint das Spiel offen.

Mitt Romney, als Ex-Gouverneur in Massachu-setts auch für Mittelklasse-Liberale wählbar, denen niedrige Steuern nicht minder wichtig sind als schwule Ehen, könnte Obama im Weißen Haus ablösen, vorausgesetzt, die Evangelikalen legen ihre Abscheu gegen die Mormonen ab und gehen wählen.

Als herrschaftsfreier Familienmensch, den die Töchter unlängst von der Homo-Ehe überzeugten, zielt Obama auf die linken liberals, die Jungen, auf die schwarzen Wähler und die wachsende Zahl der „Latinos“. Bei denen, Katholiken sowie Pfingstlern, sucht er mögliche Vorbehalte mittels des soeben verkündeten Abschiebestopps für junge Illegale, für „talentierte junge Leute“ mit abgeschlossener Schulbildung oder beim Militär, „die in ihrem Herzen Amerikaner sind“, auszuräumen.

Obamas Rechnung könnte aufgehen, falls es ihm dazu noch gelingt, die Arbeitslosenquote zu drücken – und rhetorische Fauxpas („polnische KZs“) zu vermeiden.

 

Herbert Ammon lebt als Historiker und Publizist in Berlin.

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