© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/12 22. Juni 2012

Unsichere Kantonisten
Griechenland: Wahlgewinner Antonis Samaras will das Land retten – Opposition steht Gewehr bei Fuß
Panayotis Doumas

Bereits die Jubelfeiern der beiden Wahlsieger offenbarten die Stoßrichtung, die Griechenland auch in Zukunft prägen wird. Während die konservativ-liberale Nea Dimokratia (ND) unter Antonis Samaras auf dem Syntagma-Platz vor dem griechischen Parlament die Fahnen schwenkte, jubelten die Anhänger des Bündnisses der radikalen Linken (Syriza) vor der Universität, dem Anlaufpunkt der linksextremen Autonomen-, Anarchisten- und Kommunistenszene, die Athen seit Jahren mit gewalttätigen Aktionen in Atem gehalten hat und in Atem halten will.

Denn eines ist sicher. Der Syriza-Vorsitzende Alexis Tsipras sonnt sich nicht nur darin, sein Linksbündnis von 4,6 (2009) auf 26,9 Prozent gehievt zu haben. Er sonnt sich vor allem in der eingeübten Oppositionsrolle. Eine wie auch immer geartete Regierungsbeteiligung hätte ihm auch niemand so recht zugetraut. Im Gegenteil, sorgten doch Aussagen einiger Parteimitglieder, die zur Gewalt gegen Staat, Polizei und Kapitalisten aufriefen, für weiteren Zulauf besorgter Bürgerlicher zur Nea Dimokratia.

Mit ihrem Stimmenanteil von 29,7 Prozent haben die Bürgerlich-Liberalen ihr Ergebnis von 2009 (33,5 Prozent) erreicht. Mit dem kleinen Unterschied, daß die ND damals nur Platz zwei hinter der sozialistischen Pasok unter Giorgos Papandreou belegte. Pasok stürzte jedoch von 43,9 (2009) auf 12,3 Prozent der Stimmen ab und befindet sich im freien Fall. Entsprechend koalitionsfreudig zeigte sich ihr Vorsitzender Evangelos Venizelos. Denn ein erneuter Wahlgang würde wohl ihr Aus bedeuten.

Zusammen verfügen ND und Pasok mit 162 der insgesamt 300 Sitze im Parlament über eine passable Sitzmehrheit. Doch die von Samaras‘ ins Leben gerufene „Nationale Rettungsregierung“ will ihre „langlebiges“ Regierungsprojekt auf ein breiteres Fundament stellen. Außer der Demokratischen Linken (Dimar) unter Fotis Kouvelis kommt dafür keine Partei in Frage. Weder die Unabhängigen Griechen, oder die rechtsextreme Chrysi Avgi, die trotz oder gerade wegen der weltweit ausgestrahlten Ohrfeigen- und Wasserattacke ihres Parteisprechers Ilias Kasidiaris gegenüber einer KP- und Syriza-Politikerin ihren Stimmenanteil halten konnte – Kasidiaris erhielt mehr Stimmen als im Mai – noch die abgestraften Kommunisten stehen hierfür zur Verfügung. Doch Dimar, eine Abspaltung der Syriza, ist ein unsicherer Kantonist und in drei Lager gespalten. Eine Einbindung gilt dennoch als wichtiges Zeichen gegenüber dem linken Bürgertum.

Ob mit oder ohne Dimar-Unterstützung, das Regieren wird nicht leichter. Ob nationales Spar- und Förderprogramm oder Neuverhandlungen – unter Führung der Syriza steht die Opposition Gewehr bei Fuß und wird die kommende Regierung mächtig unter Druck setzen.

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