© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/12 22. Juni 2012

Lockerungsübungen
Europäische Umverteilung
Karl Heinzen

Bislang waren Euro-Bonds für die Deutsche Bundesbank ein Tabu. Nun aber hat ihr Präsident, Jens Weidemann, dargelegt, unter welchen Voraussetzungen sie doch als gerechtfertigt erscheinen können. Nach seiner Auffassung ist eine Fiskalunion nämlich keineswegs unmöglich. Ihr Gelingen erfordere es aber, daß strenge Haushaltsregeln nicht bloß formuliert, sondern in allen Mitgliedsländern auch durchgesetzt werden.

Diese Macht könnte in die Hände einer übergeordneten europäischen Institution gelegt werden, die nationale Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen anordnen darf, ohne daß das Parlament des betroffenen Staates ein Veto einzulegen vermag. Da diese Durchgriffsrechte einen markanten Eingriff in die staatliche Souveränität darstellten, sollte man, um der demokratischen Legitimität ein wenig Rechnung zu tragen, die Bürger zu Beginn um ihre Zustimmung ersuchen. Ferner sei es wünschenswert, daß die Spielregeln einer Fiskalunion nicht ohne weiteres durch Mehrheitsbeschlüsse wieder geändert werden können.

Jens Weidemann mag auf den ersten Blick die Hürden für eine Gemeinschaftshaftung aller Europäer für die Schulden einzelner Staaten hochgelegt haben. Da es von Anfang an das Prinzip der Währungsunion war, den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun, ist seine Einlassung aber eher als Hinweis zu verstehen, daß die Einführung von Euro-Bonds nicht mehr lange auf sich warten lassen wird. Immerhin hat er so noch einmal festgehalten, was eigentlich richtig wäre, aus pragmatischen Erwägungen und im Angesicht der Gefahr, daß Europa scheitern könnte, aber nicht beherzigt werden darf.

Allerdings scheut auch er davor zurück, das Wesen einer Fiskalunion anzuerkennen. Ihr Ziel ist es mitnichten, europaweit Haushaltsdisziplin zu gewährleisten. Wären die einzelnen Staaten nicht mehr in der Lage, weiter Schulden aufzunehmen, gäbe es schließlich nichts, wofür alle gemeinschaftlich haften müßten. Die Fiskalunion hat vielmehr nur dann einen Sinn, wenn es tatsächlich zu Transferleistungen von prosperierenden in bedürftige Länder kommt. Für die internationale Umverteilung gilt das gleiche wie für die innerstaatliche: Sie läßt sich in der Demokratie nur dann rechtfertigen, wenn eine Mehrheit von ihr profitiert und einer Minderheit die Lasten aufgebürdet werden.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen