© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/12 29. Juni 2012

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Adler macht den Abflug
Paul Rosen

Fast ein halbes Jahr hat der Deutschlandfunk gebraucht, um für die frühere Leiterin der Berliner Hauptstadtredaktion, Sabine Adler, eine neue Verwendung zu finden. Adler, die das journalistische Handwerk vor der Wende an der als „Rotes Kloster“ verschrieenen Universität Leipzig erlernt hatte, hatte im Oktober 2011 einen Ausflug in die Politik unternommen und war Sprecherin von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) geworden. Schnell muß der „von der SPD protegierten Sprecherin“ (Süddeutsche Zeitung) klargeworden sein, daß die Arbeit beim Bundestag größtenteils eintönig ist und Akten studiert werden müssen, während die Kollegen der Hauptstadtpresse längst mit dem Champagnerglas in der Hand im Garten einer Landesvertretung stehen.

Adler hatte die Nase so schnell voll, daß schon im Januar die ersten Gerüchte von ihrem bevorstehenden Abschied die Runde machten. Lammert hatte mit der Sprecherin seine liebe Not: Als er Adler auf seinem Jahresempfang als neue Sprecherin vorstellte, wußte jeder im Saal, daß sie schon auf dem Abflug war. Von Bild bekam Lammert noch das Prädikat „Verlierer“ auf Seite 1 angeheftet, weil noch kein Spitzenpolitiker so schnell seinen Sprecher verloren hat. Spuren hat sie im Bundestag nicht hinterlassen. Man wird sich an die „blendend vorbereitete, mitunter resolute Organisatorin“ (so die taz seinerzeit in einem Jubelartikel) höchstens deshalb erinnern, weil von der Abschiedsankündigung bis zum Verlassen ihres Sessels fast ein halbes Jahr lag und sie rekordverdächtig lange als „lame duck“ (lahme Ente) in Berlin unterwegs war.

Der Grund lag darin, daß der Deutschlandfunk für die „scharfsinnig-charmante Interpretin der deutschen Politik“, wie Hans Peter Schütz auf stern.de seinerzeit Süßholz raspelte, keine neue Stelle finden konnte. Denn die Journalistin hatte sich, wie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk inzwischen üblich – ein Rückkehrrecht zum Sender einräumen lassen. Das war schwierig, denn leitende Redakteursposten sind selbst bei dem aus der Staatskasse üppig alimentierten und weitgehend unter Ausschluß der Öffentlichkeit arbeitenden Radiosender knapp. Schließlich fand sich ein Job im Studio Warschau, den Adler demnächst antritt.

Zurück im Bundestag bleibt ein durch die Personalie lädierter Präsident Lammert. Im Parlament kursierende Gerüchte besagen, daß er zur Wahl im September 2013 nicht mehr antreten will – aus Altersgründen. Er würde kurz nach der nächsten Bundestagswahl 67 Jahre alt. Einen neuen Sprecher will er nicht mehr einstellen. Sein Büroleiter Müller muß die Aufgabe künftig miterledigen.

Ärgerlich ist für den Präsidenten, daß einer von Adlers Referatsleitern auch das Weite sucht: Christian Hoose, der seit 2007 das Pressereferat des Bundestages leitete, wird neuer Regierungssprecher in Sachsen. Hoose stellte sich in Dresden mit einem vorbildlichen Sparsignal vor: Anders als sein Vorgänger amtiert er nicht als Staatssekretär, sondern auf eigenen Wunsch als niedriger besoldeter Minsterialdirigent.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen