© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/12 29. Juni 2012

Leserbriefe

Zu: „Bis zum bitteren Ende“ von Jörg Fischer, JF 26/12

Alter Wein in neuen Schläuchen

Nach den Wahlen in Griechenland können wir wieder alte Bekannte – Bankrottopoulos und Korruptidis – begrüßen. Ausgerechnet die politischen Gaunervereine Nea Dimokratia und Pasok, die Hellas in den Sumpf getrieben haben, sind wieder am Ruder. Unsere Berliner Euro-Politiker kriegen sich vor Freude kaum noch ein, sie können weiterhin deutsche Milliarden nach Athen transferieren. Wieviel von diesem Geldsegen in die weit geöffneten Taschen der altbekannten inoffiziellen Empfänger fließt, wird keine Troika jemals auch nur ansatzweise aufdecken können. Die deutschen Steuerzahler bürgen dafür.

Hans Daxer, Marquartstein

 

 

Zu: „‘Ich bitte um Verzeihung’“, im Gespräch mit Merrit Drucker, JF 26/12

Erinnerung an Europas Söhne

Ein ganz schlimmes der Rheinwiesenlager war bei Remagen-Kripp, wo ich 1985–1988 Vikar war und im Pfarrhaus eine von den Gefangenen aus Lehm gestaltete Marienstatue hütete. In der Nähe der Türme der „Brücke von Remagen“ wurde für diese Figur später eine allgemein zugängliche moderne Kapelle errichtet. Das Leid der Gefangenen umschrieb Günter Eichs Gedicht „Blick nach Remagen“, zusammen mit anderen lyrischen Zeugnissen in der von Hans Werner Richter bereits 1947, als viele noch im Lager fest- saßen, herausgegebenen Anthologie „Deine Söhne, Europa. Gedichte deutscher Kriegsgefangener“ (dtv 10399).

Dr. Stefan Hartmann, Oberhaid

 

 

Zu: „Die Sphinx von Bellevue“ von Thorsten Hinz, JF 26/12

Zeit, endlich aufzuwachen!

Zu den befremdlichen Äußerungen Gaucks gehört nicht nur die von Ihnen zitierte Antrittsrede im Bundestag. Während seines Antrittsbesuchs bei der EU-Kommission in Brüssel erklärte er, von den „Vereinigten Staaten von Europa“ zu träumen, also von einer Auflösung des vormals „heiligen Deutschland“ und der anderen Nationalstaaten – Grund genug, daß einem angst und bang wird. Es scheint, als führt der Weg Gaucks über die Atlantikbrücke fort vom eigentlichen Auftrag. So gilt es wohl an die Zeilen des reformatorischen Kantors Johann Walter (1496–1570) zu erinnern: „Wach auf, wach auf, du deutsches Land / du hast genug geschlafen!“

Jürgen Feucht, Filderstadt

 

 

Zu: „Lach, Europa!“ von Christian Dorn, JF 26/12

Einheitsbrei gibt keine Kraft

Europas Stärke hat sich nie auf einen Einheitsbrei gegründet, sondern auf seine Unterschiede. Die Herren Napoleon und Hitler wußten nichts davon. Nicht zufällig legte Hitler 1940 sogleich einen Kranz am Grab Napoleons nieder. Brüssels Politiker, befangen im Gleichheits- und Euro-Wahn, machen – da es ihnen nicht bewußt ist – eigentlich nichts anderes als diese historischen Vorgänger.

Günter Kleiner, Wiesbaden

 

 

Zu: „Nationales Erweckungserlebnis“ von Dieter Stein, JF 25/12

Subjektive Fehlwahrnehmung

Ihre Ansicht, daß es durch ein Fußballturnier zu einem „Nationalbewußtsein“ kommen würde, ist doch wohl zu journalistisch-oberflächlich gedacht. So einfach liegen die Dinge nicht. Dem Nationalbewußtsein liegt die Auslegung der Nation als durch die neuzeitliche Subjektivität bestimmt (Descartes) zugrunde. Die ist aber in der Philosophie längst zum Problem geworden. Nicht von der Subjektivität, sondern vom Abendländischen her – wie Martin Heidegger es gedacht hat – ist das Deutsche zu verstehen.

Prof. Dr. Ekkehard Fraentzki, Görlitz

 

Deutsche in anderen Nationen?

Bei der Fußball-Europameisterschaft fielen mir die Spieler Tomáš Hübschman (Tschechien), Gordon Schildenfeld (Kroatien) und Sebastian Boenisch (Polen) auf. Deren Familiennamen klingen gar nicht nach den Ländern, deren Trikot sie tragen. Während die Fernsehreporter an Ratsch und Tratsch offensichtlich alles wissen, scheinen sie dieses Phänomen noch nicht beobachtet zu haben.

Sylvie Becker, Bad Homburg

 

 

Zu: „Kampf um Hindenburg“ von Marcus Schmidt, JF 25/12

Schuld waren die Bürgerlichen

Es ist völlig verfehlt, Hindenburg die Hitlerdiktatur anzulasten. Hindenburg hat am 30. Januar 1933 gemäß Art. 53 Weimarer Verfassung Hitler als den Führer der stärksten Partei nicht zum Diktator ernannt, sondern zum Reichskanzler, der wie alle vorherigen Reichskanzler gemäß Art. 54 Weimarer Verfassung vom Parlament abhängig war. Der Ernannte mußte nun versuchen, eine Mehrheit im Parlament zu finden. Hitler war auch nach dem 30. Januar 1933 vom Parlament abhängig, und zwar bis zum 23. März 1933. An diesem Tag erst fand die eigentliche Katastrophe statt.

An diesem Tag stimmte der Reichstag mit Zweidrittelmehrheit für das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“, das sogenannte Ermächtigungsgesetz. Mit diesem Gesetz konnte die Hitlerregierung Gesetze beschließen, ohne das Parlament zu befragen. Hitler wurde Diktator, der Reichstag hatte mit Zweidrittelmehrheit abgedankt. Dabei wird immer totgeschwiegen, daß unter anderem auch der damalige Reichstagsabgeordnete und spätere erste Präsident der BRD, Theodor Heuss, als Mitglied der Deutschen Staatspartei für dieses Gesetz gestimmt hat. Auch die gesamte Zentrumspartei, die ja als Vorläufer der CDU gilt, hat für die Errichtung der Hitlerdiktatur gestimmt.

Das Schicksal wollte es, daß Hitler mit Hilfe dieses Gesetzes dann am 14. Juli 1933 die Parteien verbieten konnte, die ihm am 23. März 1933 die Generalvollmacht erteilt hatte, Gesetze ohne das Parlament zu beschließen. Fazit: Den Diktator Hitler haben wir nicht Hindenburg zu verdanken, sondern den sogenannten bürgerlichen Parteien. Man sollte daher eher die Theodor-Heuss-Alleen umbenennen als den Hindenburgplatz.

Dr. Folkmar Schniewind, Dreieich

 

 

Zu: „‘Das wird sich noch rächen’“, im Gespräch mit Richard Sulik, JF 25/12

Glaubwürdigeres Osteuropa

Ich danke der JF für das Interview mit dem Slowaken Richard Sulik. Seine Erklärungen zu den erfolglosen Rettungsschirmen in der EU sind logisch und aufklärend. Was für eine Konstrastgruppe: polemische, phrasendreschende deutsche Politiker auf der einen Seite und ein glaubwürdiger osteuropäischer Realpolitiker auf der anderen. Ich habe den Eindruck, Herr Sulik steht dem deutschen Volk näher als unsere Bundestagsabgeordneten. Erfrischend sein Zitat zu den Rettungsmilliarden und der deutschen Exportwirtschaft: „Herr Ober, bringen Sie das Geld, ich möchte bezahlen.“

Angelika Hörner, Striegistal

 

Der GröFaZ in neuer Gestalt

Der von Bundesregierung und fast dem ganzen Bundestag angestrebte Europäische Stabilitätsmechanismus inklusive Fiskalunion folgt getreulich der Parole „Parlamentarier aller Länder, vereinigt euch!“ Um ihre demokratischen Wohltaten zu finanzieren, schaffen sie – koste es, was es wolle – den Größten Fiskus aller Zeiten. Doch einen GröFaZ haben wir schon einmal gehabt. Der damalige Feldherr hat neben sich keine Eigenständigkeit mehr geduldet und nur noch im Massenwahn gelebt. Wo ist der Unterschied zur Majorisierung der habenden Bundesrepublik durch die Nichthabenden mittels Fiskalunion, Eurobonds und Target-Kreditmechanismus? Müssen wir „kämpfen bis zum Endsieg“?!

Hans Meister, Düsseldorf

 

 

Zu: „Wahrheit und Versöhnung“ von Christian Vollradt, JF 25/12

Zweierlei Maß in der Justiz

Da man offenbar genau weiß, um welche US-Einheit es sich bei diesen Erschießungen handelte, ist zu fragen, warum niemand zur Rechenschaft gezogen wurde oder wird. Man jagt ja auch unverdrossen heute noch Leuten wie Demjanjuk und Scheungraber nach.

Eberhard Koenig, Baiern

 

 

Zum Leserbrief: „Parallele zu Kaiser Wilhelm II.“ von Rainer Kuczewski, JF 25/12

Nicht Krieg, sondern Frieden

Das heute oft negativ gezeichnete Bild vom Kaiser entspricht nicht der Realität. Noch im Juli 1914 hatte dieser einem englischen Kriegsschiff einen freundschaftlichen Besuch abgestattet. Schon seit Ende des 19. Jahrhunderts bestand eine vertraglich geregelte gemeinsame Frontstellung Englands, Frankreich und der USA gegen Deutschland. Vom russischen Außenminister Sergej Sasonow wurde bekannt, daß er in der „Friedensliebe des deutschen Kaisers“ die Bürgschaft dafür sah, „daß wir den Zeitpunkt für den Krieg selbst bestimmen können“. Auch aus Sicht des Historikers Christopher Clark wollte der deutsche Kaiser keinen Krieg: „Er wollte, daß seine Herrschaft als eine Ära des europäischen Friedens in Erinnerung bleiben möge.“ Gleiches geht auch aus dem Briefwechsel mit seinem Vetter, Zar Nikolaus, hervor.

Dr. Rosemarie Klotz-Burr, Ölbronn

 

 

Zur Meldung: „Israel: Berlin verteidigt U-Bootlieferung“, JF 24/12

Bedenkenlose Solidarität

Die Israelis errichten bedenkenlos und völkerrechtswidrig eine Siedlung nach der anderen auf besetztem Gebiet. Deutschland macht sich mitschuldig durch die U-Bootlieferungen. Die Siedlungspolitik zu kritisieren und sie gleichzeitig zu zementieren, ist mehr als fragwürdig. So werden die Deutschen eines Tages mit zu den Schuldigen gehören, zusammen mit anderen bedenkenlosen Waffenlieferanten und Unterstützern. Die von uns erklärte uneingeschränkte Solidarität mit Israel wird längst in Anspruch genommen.

Günter Mangold, Gargnano

 

 

Zu: „Weit unter ihren Möglichkeiten“ von Felix Bauer, JF 24/12

Entscheidend ist die Politik

Der Artikel ist voller Ungereimtheiten. Den Zustand der Bahn bestimmen alleine die Vorgaben der Politik, so zum Beispiel, daß Lkws auf den Autobahnen schneller als 80 km/h fahren dürfen. Zudem muß die Bahn Mineralölsteuer bezahlen, Binnenschiffe und Flugzeuge nicht. Auch muß sie ihre Trassenpreise voll erwirtschaften, der Mittellandkanal jedoch hat nur eine Kostendeckung von fünf Prozent. Die Bahn muß für ihre Betriebsanlagen selbst aufkommen, Lkws werden Abstellplätze kostenlos zur Verfügung gestellt. Im ÖPNV verlangt die EU eine Kostendeckung von 35 Prozent, beim Mittellandkanal schweigt sie!

Um mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, müssen zunächst die Engpässe (Knoten und Streckenabschnitte) beseitigt werden. So fehlen auf der Strecke Ruhrgebiet-Berlin auf 40 Kilometern das dritte und vierte Gleis zwischen Minden und Hannover. Stattdessen wurde der Mittellandkanal mit Milliarden ausgebaut! Da die langsameren Güterzüge und die schnelleren Personenzüge sich gegenseitig stark behindern, sind für den Güterverkehr neue Gleise erforderlich. Die Engländer haben deshalb die drei Hauptstrecken von London nach Norden von Anfang an viergleisig gestaltet.

Daß die Bahnen in der Schweiz eifriger benutzt werden, liegt im wesentlichen an den günstigeren Tarifen bei Zeitkarten. Außerdem ist das SBB-Netz flächendeckend. Zudem ist der Wettbewerb im ÖPNV hierzulande praktisch Lohndrückerei. Wie die Lohndrückerei funktioniert, wird bei der Post, ebenfalls privatisiert, offensichtlich: Zeitverträge verhindern Familiengründungen und befördern die Altersarmut. Bahn und Post sind so gut, wie die Politik es vorgibt.

Udo Knau, Minden

 

 

Zu: „‘Sie glauben, Sie sind dann tot? Irrtum.’“, im Gespräch mit David Evans, JF 23/12

Definition für Ersatzteillager

Der beste Beweis, daß der Hirn-„Tote“ nicht tot ist, ist die Tatsache, daß bei diesem „Toten“ keine sicheren Todeszeichen auftreten. Der Hirn-„Tote“ ist eine Erfindung von interessierten Kreisen, um einen Menschen, der noch am Leben ist, als Ersatzteillager ausschlachten zu können.

Thomas Waibel, Deggendorf

 

 

Zur Meldung: „Schünemann plant neues Aufenthaltsrecht“, JF 23/12

Eine Frage der Willenserklärung

Daß man sich ständig den Kopf zerbricht, was man für die Ausländer tun könnte! Es muß doch möglich sein, keine Ausländer zu wollen, und diesen Willen dann auch umzusetzen, und nicht immer das zu tun, was die Ausländer wollen.

Wolfgang Richter, Staudernheim

 

 

Zu: „Gefangen im Schuldstolz“ von Erik Lehnert, JF 23/12

Grundsätzliches JF-Problem

In dem Beitrag über Thilo Sarrazin wird – wie so oft in der JF – gegen die These der Kollektivschuld argumentiert. Darin sehe ich ein grundsätzliches JF-Problem, da diese Haltung in sich unglaubwürdig ist. Denn die Autoren der JF betonen in vielen Artikeln stets das Nationalgefühl, den Stolz auf die deutsche Geschichte, die Philosophen, die Musiker usw. Wenn man also grundsätzlich an die Seele eines Volkes glaubt und argumentiert, daß es einen Stolz auf eine kollektive Geschichte, ein ruhmvolles kollektives Erbe gibt, dann kann konsequenterweise nicht gleichzeitig eine kollektive Schuld abgestritten werden. Denn das eine geht nicht ohne das andere, es sind zwei Seiten derselben Medaille.

Markus Adam, München

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