© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/12 06. Juli 2012

„Gute Nacht Freiheit und Souveränität“
Österreich: Seit Wochen kämpfen FPÖ und BZÖ gegen die Verabschiedung des ESM-Vertrages / Grüne sichern Zweidrittelmehrheit
Curd-Torsten Weick

Na, gute Nacht Demokratie! Gute Nacht Eigenständigkeit! Gute Nacht Freiheit und Souveränität! Gute Nacht österreichische Verfassung!“ Heinz-Christian Strache war in seinem Element, als er vergangene Woche auf dem sonnenüberfluteten Wiener Ballhausplatz vor dem Bundeskanzleramt gegen die Einführung des dauerhaften Euro-Rettungsschirms ESM Stellung bezog. Und er setzte vor über 1.500 Zuschauern noch eins drauf: „Es ist besser, wir springen ins rotweißrote Rettungsboot, bevor wir mit dieser EU-Titanic untergehen.“ Das FPÖ-Rettungsboot ist die unermüdliche Forderung nach einer Volksabstimmung über den ESM-Vertrag.

In ihrer Ablehnung des Vertrages sitzt die FPÖ in einem Boot mit dem Bündnis Zukunft Österreich. Beide Parteien verließen Mitte Juni aus Protest das Nationalratsplenum. In einer Nacht-und- Nebel-Aktion hatten sich regierende SPÖ/ÖVP-Koalition und die oppositionellen Grünen auf ein gemeinsames Vorgehen beim Stabilitätsmechanismus (ESM) geeinigt und kurzfristig auf die Tagesordnung gesetzt.

Der BZÖ-Vorsitzende Josef Bucher wertete dies im Anschluß als einen der „schwärzesten Tage des österreichischen Parlamentarismus“, und Strache sprach vom „Beginn eines geplanten Staatsstreichs“. Demgegenüber hob der ÖVP-Fraktionsvorsitzende Karlheinz Kopf den Vorteil der Sitzung hervor. Letztlich habe man erreicht, daß das Parlament nun bei Ausstattung des ESM mitbestimmen könne. FPÖ und BZÖ, so Kopf, „sollten sich schämen, den Menschen Sand in die Augen zu streuen und sie mit Unwahrheiten zu belästigen.“ Ins gleiche Horn stieß Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), bedankte sich für die „konstruktive Zusammenarbeit“ der Grünen und unterstrich die Wichtigkeit der alternativlosen ESM-Ratifizierung: „Die Eurozone braucht die Zustimmung aller Länder zum ESM, um zu zeigen, daß wir bereit sind, uns gegen Finanzspekulationen zu schützen.“

Entgegen den regierungsamtlichen Appellen, die Stabilität, Wachstum und Beschäftigung verheißen, läßt der FPÖ-Vorsitzende kein gutes Haar an dem Vertragswerk. Dadurch, daß der ESM-Gouverneursrat unbegrenzt hohe Kreditsummen bewilligen und diese von den Mitgliedsstaaten eintreiben könne, würden nicht nur die Steuerzahlerbürgschaften unbegrenzt erweitert, sondern auch jegliche Finanzhoheit der nationalen Parlament de facto abgeschafft, kritisierte Strache bei einer vom BZÖ anberaumten Expertenanhörung im Parlament, bei der die beiden deutschen Euro-Kritiker Wilhelm Hankel (nominiert von der FPÖ) und der vom BZÖ nominierte Bernd-Thomas Ramb die Gefahren des dauerhaften Euro-Rettungsschirms ESM aufzeigten. Letzterer warnte davor, daß auf Österreich durch die ESM-Verpflichtungen theoretisch 386 Milliarden Euro zusätzliche Schulden zukommen könnten. Somit hätte das Land eine Schuldenlast von über einer halben Billion Euro zu tragen.

Doch bei allem Unmut über die „rotschwarz-grüne Dreierbande“ (Strache) – FPÖ (37) und BZÖ (16) verfügen im Nationalrat zusammen über nur 53 Sitze, SPÖ/ÖVP und Grüne zusammen über 128 Mandate. Die Zweidrittelmehrheit ist also sichergestellt.

Folglich verwies Strache bereits auf dem Ballhausplatz auf die kommende Nationalratswahl im Jahr 2013 und zeigte sich kämpferisch: „Das wird eine Richtungswahl zwischen HC Strache und Werner Faymann.“

Foto: ESM-Protest mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf dem Wiener Ballhausplatz: „Es ist besser, wir springen ins rotweißrote Rettungsboot, bevor wir mit der EU-Titanic untergehen“

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