© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/12 06. Juli 2012

Botschaften der Himmelsfee
Raumfahrt: Chinas erste Kosmonautin ist zurück
Wolfgang Kaufmann

Mir kommen keine Weiber mehr ins All“, polterte der sowjetische Chefkonstrukteur Koroljow während des pannenträchtigen Raumfluges der Textil-arbeiterin Walentina Tereschkowa im Juni 1963. Deshalb würde er sich jetzt vermutlich im Grabe herumdrehen, wenn er wüßte, daß seiner wehleidig-kapriziösen ersten Kosmonautin nun schon 55 weitere Frauen in die Erdumlaufbahn gefolgt sind. Die letzte in dieser Reihe ist die 1978 geborene Chinesin Liu Yang, welche gerade von einem Aufenthalt in der ersten chinesischen Orbitalstation „Tiangong 1“ zurückgekehrt ist und nun frenetisch als „Himmelsfee“ gefeiert wird. Und wie schon damals zu Zeiten der UdSSR hat dieser Rummel einen veritablen politischen Hintergrund.

Yang entstammt nämlich einer der allgemein bemitleideten Ein-Kind-Familien mit Tochter statt Sohn, woraus sich folgende Botschaft an das chinesische Volk ergibt: Die traditionelle, im Konfuzianismus wurzelnde Geringschätzung von Mädchen, welche im Reich der Mitte zu massenhaften Abtreibungen weiblicher Föten und damit zu hochproblematischen demographischen Verwerfungen geführt habe, müsse endlich aufhören. Immerhin könne auch ein Mädchen seinen Eltern Anlaß zu höchstem Stolz geben, wie die „Taikonautin“ Yang mit ihrer gesamten „ruhmreichen“ Biographie demonstriere: erfolgreiches Studium an der Luftfahrtschule in Changchun, 1.680 Flugstunden, bravouröse Landung einer durch Vogelschlag schwer beschädigten Maschine mit Totalausfall beider Triebwerke, Major und stellvertretender Kommandeur einer Luftwaffeneinheit der Volksbefreiungsarmee, absolutes Rekordtempo bei der Ausbildung zur Raumfahrerin – und als Krönung nun die komplizierte manuelle Ankopplung des Raumschiffes „Shenzhou 9“ an den „Himmels-palast“.

Die zweite Botschaft wiederum geht an die Adresse speziell der chinesischen Frauen. Denen wird der 13tägige Weltraumflug ihrer Geschlechtsgenossin jetzt als mächtiges politisches Signal der Gleichberechtigung im Lande verkauft. An diesem Propagandacoup mitzuwirken und alles in schöne Worte zu verpacken, die bei unzähligen Anlässen unter die Leute zu bringen sind, wird Liu Yangs nächste Aufgabe sein. Und auch dabei dürfte das stereotyp lächelnde Multitalent aus Linzhou wieder brillieren. Schließlich hat sie 2010 den Redewettbewerb der Volksbefreiungsarmee gewonnen.

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