© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30-31/12 20. Juli / 27. Juli 2012

Stefan Mappus allein zu Haus
Baden-Württemberg: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den früheren Ministerpräsidenten
Taras Maygutiak

Wenn man in Not ist, dann kann man die Freunde an einer Hand abzählen. Diese Volksweisheit hat Stefan Mappus (CDU), ehemaliger Ministerpräsident von Baden-Württemberg, vor der historischen Wahlniederlage am 27. März 2011 sicherlich auch schon gekannt. Nach seiner Abwahl traf es ihn mit voller Wucht: Schnell lichteten sich die Reihen der Weggefährten.

Spätestens seit Mittwoch vergangener Woche, als die Staatsanwaltschaft Stuttgart Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue gegen ihn aufnahm und Wohnungen und Büros durchsuchen ließ, dürfte ihm klargeworden sein, daß er nur noch ganz wenige Freunde hat. Und bei einem dieser Freunde, dem Banker Dirk Notheis vom Investment-Bankhaus Morgan Stanley, den er bereits aus seiner Jugend kennt, stand die Polizei vor der Tür. Gegen Notheis wird wegen Beihilfe zur Untreue ermittelt.

Was sich für Mappus persönlich als einstweiliger Tiefpunkt darstellt, ist der vorläufige Höhepunkt in der seit Monaten andauernden Affäre über den Rückkauf der Aktien des Energieversorgers EnBW. Öffentlichkeitswirksam – die von der Staatsanwaltschaft Stuttgart informierte Presse steht beim Wohnhaus der Familie Mappus in Pforzheim Gewehr bei Fuß – gehen die Durchsuchungen über die Bühne. Seither herrscht bei der CDU in Baden-Württemberg helle Aufregung. Negativ übertroffen wird die Nachricht aus CDU-Sicht noch einmal zwei Tage später, als es heißt, daß auch gegen Ex-Finanzminister Willi Stächele und den ehemaligen Staatsminister Helmut Rau ermittelt wird. Hektisch überlegen sich führende Christdemokraten, wie sie reagieren sollen. Die Taktik des CDU/CSU-Fraktionschefs im Bundestag, Volker Kauder: erst einmal den Ball flach halten.

In Berlin will man die Geschichte mit Blick auf die Bundestagswahl 2013 möglichst schnell vom Tisch haben. In der Welt nimmt Kauder Mappus in Schutz. Dieser habe wichtige Entscheidungen vorangebracht, der Rückkauf der EnBW sei „in der Sache“ richtig gewesen. Der Fraktionschef positioniert sich gegen Vorverurteilungen, rät der CDU, ein „Zukunftsprogramm zu entwickeln“ und sich keine Diskussion über die Vergangenheit aufdrängen zu lassen.

Möglichst nicht in die Nähe von Mappus gerückt werden, heißt hingegen die Devise der meisten CDU-Spitzenpolitiker im Südwesten. Zwar fordert Bundesbildungsministerin Annette Schavan, wohl aus den gleichen Überlegungen heraus wie Kauder, Einigkeit. Doch davon will der Landeschef Thomas Strobl nichts wissen: „Unsere Probleme entstanden wahrlich nicht dadurch, daß die CDU Stefan Mappus nicht geschlossen gefolgt ist.“ Im Gegenteil, die Partei sei Mappus sehr lange, „aus heutiger Sicht zu lange, unkritisch gefolgt. Das war falsch. Das gilt auch für mich“, bricht er in der Südwestpresse den Stab über seinem Vorgänger. In derselben Zeitung betont CDU-Landtagsfraktionschef Peter Hauk, es wäre scheinheilig, „Geschlossenheit zu demonstrieren, wo keine ist“. Er versucht, die Union als Opfer von Mappus zu positionieren: „Daß ein CDU-Ministerpräsident das Grundvertrauen seiner Parteimitglieder so enttäuscht, dies hat es in dieser Form noch nicht gegeben.“

Als im Dezember 2010, dreieinhalb Monate vor der Landtagswahl, das Land für 4,67 Milliarden Euro einen 45-Prozent-Anteil der EnBW vom französischen Staatsunternehmen EDF zurückkaufte – knapp elf Jahre zuvor hatte das Land unter Ministerpräsident Erwin Teufel 25,01 Prozent der EnBW für umgerechnet 2,4 Milliarden Euro an EDF verkauft –, hatte das in der CDU kaum jemand kritisch hinterfragt. Obwohl sich Finanzminister Willi Stächele beim Kauf auf das Notbewilligungsrecht berief und damit rechtfertigte, daß der Landtag nicht zustimmen mußte. Wenige Tage später nickten die CDU- und FDP-Fraktionen den Kauf im Landtag nachträglich ab. SPD und Grüne reichten im Januar Klage beim Staatsgerichtshof ein, weil sie das Königsrecht, das Haushaltsrecht des Landtags, verletzt sahen. Im anlaufenden Wahlkampf gingen alle CDU-Landtagskandidaten landauf, landab mit dem Kauf der EnBW-Aktien via Notbewilligungsrecht hausieren, nannten ihn „gut und richtig“. Kritische Fragen kamen auch nicht auf, als die Klage bereits eingereicht war.

Daß das Thema im Endspurt des Wahlkampfs dann jedoch eher eine untergeordnete Rolle spielte, war dem Atomunglück im japanischen Fuku-shima geschuldet, welches Grüne und SPD dankbar als Wahlkampfthema in den Vordergrund stellten. In den Fokus rückte das EnBW-Geschäft wieder, als der Staatsgerichtshof dieses vergangenen Oktober für verfassungswidrig erklärte und im Dezember ein Untersuchungsausschuß installiert wurde.

Dort kamen Ungereimtheiten ans Licht, die die Staatsanwaltschaft jetzt unter die Lupe nehmen will. Geprüft wird, ob dem Land durch die Beauftragung von Morgan Stanley ein Vermögensschaden entstanden ist. Die Bank war mit den Kaufvertragsverhandlungen beauftragt worden, ohne daß zuvor ein Honorar vereinbart worden wäre. Untersucht wird auch, ob die Aktien überteuert zurückgekauft wurden. In einem Gutachten, das die grün-rote Landesregierung in Auftrag gegeben hat, ist von 840 Millionen Euro die Rede, die das Land zuviel gezahlt haben soll.

Im Gegensatz zur Parteispitze scheinen die Bürger noch zu Mappus zu stehen. Stolz war man dort immer auf ihn, heißt es aus seiner Heimat. „Ich glaube ihm immer noch, daß er in gutem Glauben das Richtige fürs Land tun wollte“, sagt ein Nachbar der Pforzheimer Zeitung.

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