© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30-31/12 20. Juli / 27. Juli 2012

Kosten der privaten Berufshaftpflicht erdrücken Hebammen
75 Cent für Geburtshilfe
Jens Jessen

Die im Auftrag des Gesundheitsministeriums erarbeitete IGES-Studie bestätigt die prekäre Lage der Hebammen: Ihr Einkommen beläuft sich auf durchschnittlich 24.000 Euro, die Kosten der privaten Berufshaftpflicht sind dagegen innerhalb eines Jahres von über 3.600 auf mehr als 4.200 Euro gestiegen. Vor zehn Jahren waren es noch 500 Euro. Immer mehr Hebammen werfen daher das Handtuch. Die Krankenkassen haben nun angekündigt, die entstandenen Mehrkosten für die Versicherung zu übernehmen – doch die 600 Euro ändern nichts an der Vergütung der Freiberuflerinnen. Der Deutsche Hebammenverband (DHV) sieht das Angebot als Teilanhebung der geburtshilflichen Vergütungspositionen. Damit sei nur der Status quo vor der Prämienerhöhung wiederhergestellt worden.

Die Einnahmen aus sechs Hausgeburten (78 Euro) beziehungsweise von 16 Geburten auf einer Belegstation (25,60 Euro) decken die Versicherungsprämie ab. Die Vergütung bleibt ein Durchlaufposten von der Krankenversicherung zur Haftpflichtversicherung. Der Hebammenmangel in Deutschland hat indes dramatische Folgen. Die derzeitige Einkommenssituation der Hebammen kommt einem Berufsverbot nahe. Immer mehr Geburtshäuser und Geburtsabteilungen werden geschlossen. In Hessen betreuen nur noch die Hälfte der 1.400 Mitglieder des Hessischen Hebammenverbandes Frauen im Kreißsaal. Viele davon sind fest angestellt. Seit nunmehr 30 Jahren kämpfen die freiberuflich tätigen Hebammen erfolglos für eine angemessene Vergütung. Der Stundenlohn beträgt bei steigenden Ausgaben 7,50 Euro. 77 Prozent der Hebammen verdienen weniger als geringfügig Beschäftigte. Die Krankenkassen bieten aktuell eine Erhöhung um 75 Cent für Geburtshilfe an. Die Hebammen fordern eine Erhöhung auf 9,75 Euro. Wenn die Kassen kein Einsehen zeigen, ist die bisherige Versorgung von Schwangeren, Gebärenden und Wöchnerinnen nicht mehr gewährleistet. Immer mehr Einrichtungen mit Beleg-Hebammen werden geschlossen.

Das Gespräch der Hebammenverbände mit Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hat außer Verständnis für die Lage und Anteilnahme nichts zum Erhalt der Berufsgruppe gebracht. Die Krankenkassen horten dabei Überschüsse in Milliardenhöhe (JF 12/12). Sie brüsten sich nun damit, daß sie mit etwa 1,6 Millionen Euro die gestiegenen Beiträge zur Haftpflichtversicherung übernommen haben. Sie sind aber nicht bereit, die Arbeit der Hebammen entsprechend ihrer Wichtigkeit zu entlohnen. Die Enttäuschung wird zu einer weiteren Erosion der Hebammentätigkeit führen. Bahr hätte mehr Druck auf die Krankenkassen ausüben müssen, in den Vergütungsverhandlungen wenigstens eine Mindestvergütung zu vereinbaren. Er hätte das unter Hinweis auf die vielen wirkungslosen Leistungen der Kassen für die Krankenversicherten gut unterbringen können.

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