© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30-31/12 20. Juli / 27. Juli 2012

Liberale Ikone
Zum 100. Geburtstag: Der US-Ökonom Milton Friedman war ein leidenschaftlicher Kämpfer für mehr Freiheit in allen Bereichen
Michael von Prollius

Der Euro sollte noch vor dem 1. Januar 2002 aufgegeben werden.“ Das empfahl Milton Friedman in einem Brief an den Ökonomen und Forza Italia-Politiker Antonio Martino im April 1999. „Die Mängel des Euro werden etwas Zeit brauchen, bis sie sich offenbaren“, dennoch solle Italien zumindest die Druckplatten für die Lira behalten. 2002 erneuerte der neben John Maynard Keynes bedeutendste Ökonom des 20. Jahrhunderts seine Kritik, als er dem Magazin Capital sagte: „Euro-Land bricht in fünf bis 15 Jahren auseinander“. Die von ihm genannten Gründe sind heute unübersehbar: unterschiedliche Kulturen, Wirtschaftsweisen und Wettbewerbsfähigkeit.

Als Vater des Monetarismus setzte sich der am 31. Juli 1912 in New York geborene Friedman für eine strikte Regelbindung der Geldpolitik ein. Die von ihm maßgeblich eingeleitete „Gegenrevolution der Geldtheorie“ rehabilitierte die Quantitätstheorie des Geldes. Inflation ist demnach ein rein monetäres Phänomen. Die Geldmenge hat entscheidenden Einfluß auf die Wirtschafts­entwicklung und stellt eine gefährliche Stellschraube dar: Zu viel Geld führt zu Inflation, zu wenig zu Deflation. Ein festes Geldmengenwachstum, das sich am Wirtschaftswachstum orientiert, soll monetäre Schocks verhindern, die Zentralbanken verursachen.

Diese Erkenntnis barg Brisanz, stieß sie doch die bisherige Leitfigur Keynes vom Thron. In seinem Hauptwerk, „A Monetary History of the United States“, untersucht Friedman zusammen mit Anna Schwartz die Folgen von Geldmengenänderungen für die Konjunktur. Das Ergebnis: Keynes’ Erklärung der Weltwirtschaftskrise über eine mangelnde Nachfrage ist falsch; die US-Zentralbank hat versagt, sie hätte Liquidität bereitstellen müssen und können. Zudem lehnte der insgesamt 30 Jahre an der University of Chicago lehrende Ökonom Finanzpolitik als Instrument der Nachfragesteuerung genauso ab wie eine antizyklische Fiskalpolitik und staatliche Ausgaben zur Ankurbelung der Wirtschaft, die bereits mittelfristig verpuffen. Arbeitslosigkeit, die auf freien Märkten gegen null tendiert, ist nur durch Strukturreformen beizukommen.

Tatsächlich löste der Monetarismus (JF 50/06) und die von Friedman inspirierte sogenannte Angebotspolitik den Keynesianismus ab. Die Bundesbank ging 1974 als erste zur Geldmengensteuerung über, mit gutem Erfolg, die USA und Großbritannien folgten in der Inflationsbekämpfung. Die Unternehmer und ihre schöpferische Funktion rückten stärker in den Mittelpunkt. Strukturreformen einschließlich Steuersenkungen waren in aller Munde, auch bei Thatcherismus und Reagonomics. Beide Namensgeber hatte Milton Friedman beraten. Die Wirtschaft kam nach der Stagflation wieder auf Trab.

Der Wirtschaftsnobelpreisträger von 1976 verlangte den Rückzug des Staates aus nahezu allen Bereichen der Wirtschaft und aus vielen Lebensbereichen. Schon 1962 forderte er in seinem Buch „Capitalism and Freedom“ unter anderem die Abschaffung alle Zölle und das Ende der Wehrpflicht. Als Mitglied einer 1969 von Präsident Richard Nixon eingesetzten Kommission plädierte er als konsequenter Liberaler für eine Freiwilligenarmee – 1973 wurde die 1917 formal eingeführte und ab 1940 verschärfte US-Wehrpflicht dann tatsächlich ausgesetzt. Er setzte er sich mit funkelnden Formulierungen auch für ein freies Schulwesen mit Schulgutscheinen statt Schulsubventionen ein. Seine nicht nur von Konservativen verteufelte Forderung nach einer Legalisierung von Rauschgift hat angesichts des Drogenkriegs in Mexiko an Aktualität gewonnen. Auch die Vorzugsbehandlung und Quoten für Minderheiten (affirmative action) lehnte Friedman ab.

Wohlfahrtsstaat und Inflation erkannte Friedman als größte Feinde der Wirtschaft. Er machte die Erkenntnis „There is no such thing as a free lunch“ (Nichts ist umsonst) populär. In seiner Fernsehserie „Free to choose“ (1980) verdeutlichte er die Vorzüge eines freien Marktes und die negativen Konsequenzen staatlicher Eingriffe. Als Publizist und Politikberater hat der Starökonom praktische Probleme auf liberale Weise gelöst, zuweilen zu pragmatisch, kritisieren daher Libertäre. Tatsächlich lohnt bei allen Gemeinsamkeiten ein Blick auf die Unterschiede zwischen Wiener und Chicagoer Schule der Ökonomik. Friedman stand als Modellökonom mit seinem Gleichgewichtsdenken Keynes nahe, kann aber mit empirischen Argumenten im Wissenschafts- und Politikbetrieb überzeugen.

Die Österreichische Schule (Ludwig von Mises, Friedrich von Hayek) vertritt eine überzeugendere Markttheorie, sie spricht vom dynamischen Ungleichgewichtsprozeß. Die „Österreicher“ fordern solides Geld: Zur Vermeidung der Finanz- und Staatsschuldenkrise wären die Zentralbanken mit der fester Geldmengensteuerung besser gefahren. Allerdings hat sich die Geldverfassung als nicht robust genug gegen politische Einflußnahme erwiesen. Zudem ist die Geldnachfrage keineswegs konstant, wie modellhaft unterstellt, und schwer identifizierbar. Die „Österreicher“ setzen daher auf einen Goldstandard bzw. ein freies Geldwesen. Der Monetarismus erscheint pragmatischer und mit einer 100-Prozent-Depositen-Regel immer noch als zweitbeste Lösung.

Die „Österreicher“ verfügen über die zukunftsweisenderen Ideen für eine Erneuerung der Volkswirtschaftslehre: „Die Österreichische Schule ist tatsächlich die einzige Schule, die auf mikroökonomischen Prinzipien basiert und deshalb den ’missing link‘ zwischen Mikro und Makro herstellen kann, den Ökonomen lange gesucht haben“, urteilt der US-Ökonom Mark Skousen. Milton Friedmans Einfluß ist indes einzigartig. Nach seiner Emeritierung in Chicago war Friedman von 1977 bis zu seinem Tod 2006 (JF 48/06) weiter an der Hoover Institution der Stanford University in Kalifornien tätig. Der erfolgreichste Botschafter der liberalen Idee nannte die Ökonomie seine Berufung, den Liberalismus nur seine Nebentätigkeit.

 

Dr. Michael von Prollius ist Wirtschaftshistoriker und Gründer der Internetplattform „Forum Ordnungspolitik“.

www.forum-ordnungspolitik.de

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