© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30-31/12 20. Juli / 27. Juli 2012

Lockerungsübungen
Investitionen in die Freiheit
Karl Heinzen

Der Kosovo ist hinsichtlich Fläche und Einwohnerzahl zwar bloß halb so groß wie Rheinland-Pfalz. Dies hat den Westen jedoch nicht davon abgehalten, stattliche Beträge in die Hand zu nehmen, um der Region eine Zukunft nach seinen Vorstellungen und Prinzipien zu ermöglichen. In freundschaftlicher Konkurrenz geben Uno, Nato, EU und OSZE ihr Bestes, und auch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen sind im Land engagiert, damit keine Facette zivilgesellschaftlichen Fortschritts unberücksichtigt bleibt. Pro Kopf der Bevölkerung gerechnet, stellt die finanzielle Unterstützung alles in den Schatten, was in anderen Krisenregionen der Welt aufgewendet wurde.

Trotz aller Bemühungen ist der Kosovo aber immer noch nicht in Europa angekommen. Zu den Staaten, die ihm die Anerkennung verweigern, gehören auch einige EU-Mitglieder. Die Wirtschaft ist marode, Auswanderung die einzig plausible Lebensperspektive der Menschen. Ohne die Organisierte Kriminalität müßten nicht nur die Angehörigen der politischen Elite um ihr Auskommen fürchten.

Dies könnte nun alles anders werden. Der Amerikaner Wesley Clark hat mit seinem Unternehmen „Envidity“ die Initiative ergriffen, um die reichen Kohlevorkommen des Kosovo zu erschließen und sie zur Produktion von synthetischem Kraftstoff einzusetzen. Clark kennt die Region, durfte er doch in Generalsuniform die dort eingesetzten Nato-Streitkräfte führen. Mit seinem Engagement scheint er nicht allein zu stehen. Auch die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright sowie der amtierende amerikanische Botschafter in Priština, Christopher Dell, sollen in dem ihnen vertrauten Ländchen geschäftliche Interessen verfolgen.

Ihr Beispiel könnte und sollte Schule machen. Die Menschen in Krisenregionen sind durch Krieg und Elend meist viel zu demoralisiert, als daß sie ihr Schicksal zukunftsfroh selbst in die Hand nehmen könnten. Die Initiative muß von den Interventionsmächten ausgehen, die sich dazu das erforderliche Know-how aneignen. Wer ein Land besetzt, lernt es schließlich zwangsläufig näher kennen. Auch das Problem, Einsätze vor der Bevölkerung daheim zu legitimieren, kann so gelöst werden. Die Staatsbürger des Westens wissen, daß Investitionen in die Freiheit unumgänglich sind. Sie erwarten aber auch, daß sich diese irgendwann auszahlen.

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