© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30-31/12 20. Juli / 27. Juli 2012

Blick in die Medien
EU-Kritiker müssen neues Acta fürchten
Toni Roidl

Das Acta-Abkommen ist ad acta gelegt. Nun empören sich manche darüber, daß die EU-Parlamentarier vor dem Geschrei selbsternannter „Netzaktivisten“ eingeknickt sind. Sie sehen dies als Beweis dafür an, daß es sich bei den Ablehnern um chipskrümelnde Chaoten handelt, die bloß ungestört Raubkopien saugen wollen.

Das mag nicht ganz falsch sein, aber ist es ein Argument pro Acta? Es ist nicht so, daß dieses Abkommen nur den Rechtsschutz geistiger Urheber und Markeninhaber verbessert hätte. Die Länder mit den meisten Raubkopierern, China und Rußland, gehören übrigens ohnehin nicht zu den Acta-Unterzeichnern.

Vor allem die Kritik an den vage formulierten Bestimmungen war berechtigt. Die Entwürfe hätten zuviel Spielraum für systematische Kontrollen und Zensureingriffe eröffnet. Gerade EU-Kritiker, die sich alternativ zu den Zeitgeist-Medien in systemkritischen Blogs informieren und organisieren, können froh sein, daß das „Anti-Piraterie-Abkommen“ nicht durchgekommen ist.

Unter die strafbewehrte Verbreitung von Raubkopien wären laut Acta auch „Handlungen, die der Erlangung eines wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteils dienen“ gefallen. Wer weiß, ob sich nicht auch ein kommerzieller Vorteil konstruieren ließe, wenn ein Blogbetreiber die Lizenzsumme für ein geschütztes Foto einspart?

Die Möglichkeiten sind zu verlockend, um das Vorhaben aufzugeben. Der neue Anlauf kommt. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger ließ bereits verkünden, Deutschland werde ein gesondertes Abkommen ausarbeiten. Parallel ist das Ipred-Abkommen mit ähnlichem Inhalt auf den Weg gebracht.

Wir können also sicher sein, daß die Pläne in absehbarer Zeit in neuer Verpackung wieder auftauchen. Mal sehen, wie die Netzwelt dann reagiert und wie die EU-Parlamentarier abstimmen. Vorerst beschäftigt sich die EU statt mit virtuellem Raub mit dem Raub handfester Ersparnisse.

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