© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30-31/12 20. Juli / 27. Juli 2012

Agitation vom Altpräsidenten Bill Clinton will mehr
„fortschrittliche Politik“
Thorsten Brückner

Mit einem Plädoyer für eine fortschrittlichere Wirtschaftspolitik meldete sich Ex-Präsident Bill Clinton im vergangenen Jahr zu Wort. Es überrascht nicht, daß die nun auf deutsch vorliegende Publikation mit allem aufwartet, was die progressive Mottenkiste zu bieten hat.

Obgleich der manichäische Duktus der Sprache durch den Übersetzer unnötig verschärft wurde, teilt Clinton das politische Amerika durchgehend in regierungsfeindliche Republikaner und „fortschrittliche Abgeordnete“ ein. Die Problemanalyse scheint einfach: Die regierungsfeindliche republikanische Kongreßmehrheit setzt fort, was sie 1994 mit dem Kontrakt für Amerika begann – eine auf Obstruktion jeglichen Regierungshandelns setzende Fundamentalopposition, die mit simplen ideologischen Denkmustern wichtige Zukunftsprojekte wie eine allgemeine Gesundheitsreform unmöglich macht.

Völlig zu Recht entlarvt Clinton hingegen das republikanische Versprechen auf Steuersenkungen als einen Polittrick, der Stimmungen bedienen soll. Wie von ihm skizziert, müßten im Falle eines niedrigeren Steueraufkommens Wahinstons die Bundesstaaten einspringen und ihrerseits Steuern erhöhen, sollten nicht staatliche Gesundheitsprogramme wie medicare und medic-aid radikal gekürzt werden – eine Möglichkeit, der sich vor allem die Republikaner versperren.

Clintons Lösungsvorschläge sind schnell erzählt: Mehr Staat, mehr Regulierung, mehr „Chancengleichheit“! Neben teils sinnvollen Konzepten wie einem Programm zur Rückführung von US-Dollar in die Heimat oder der Forderung, kleineren Unternehmen den Zugang zum Exportmarkt zu ermöglichen, findet sich auf den insgesamt 236 Seiten auch reichlich Skurriles: So fordert Clinton allen Ernstes per Gesetz zu verfügen, alle Dächer weiß streichen zu lassen und einen Steuerfreibetrag für neue Ökojobs auch gegen den absehbaren Widerstand der „Leugner des Klimawandels“ durchzusetzen. Für Kenner amerikanischer Wirtschafts- und Sozialpolitik stellt Clinton ebenso unfreiwiliig wie eindrucksvoll dar, warum immer mehr Amerikaner genug haben vom zunehmend bevormundenden Regierungsapparat in Washington.

Bill Clinton: Es gibt viel zu tun. Warum wir kluge Politik für eine starke Wirtschaft brauchen. Plassen Verlag, Kulmbach 2012, gebunden, 236 Seiten, 24,90 Euro

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