© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30-31/12 20. Juli / 27. Juli 2012

In den Maschen der EU-Fischereipolitik
Brüsseler Umweltschutz gefährdet den Schweinswal in Nord- und Ostsee
Robert Kunert

Ein Strandspaziergang, der am Kadaver eines Schweinswals endet, gehört zu den wirklich unangenehmen Erlebnissen eines Urlaubs an Nord- und Ostsee. Und doch häufen sich solche Begegnungen. Allein an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns erhöhte sich die Zahl der Totfunde im letzten Jahrzehnt um 300 Prozent.

Die Tiere, von denen in der östlichen Ostsee nur ungefähr 1.500, in der westlichen und mittleren sogar nur noch etwa 600 Exemplare leben, werden immer öfter Opfer von Umweltverschmutzung, Fischerei sowie der durch Schiffahrt und forciertem Windpark-Bau verursachten Verlärmung der Meere. Dieser Prozeß vollzieht sich, obwohl gerade dem Gewöhnlichen Schweinswal (Phocoena phocoena) alle Regelungen des deutschen wie europäischen Arten- und Habitatschutzes zugute zu kommen scheinen.

Wie der Trierer Völkerrechtler Alexander Proelß über die rechtlichen Haken und Ösen des Kleinwalschutzes ausführt (Natur und Recht, 6/2012), schafft aber gerade die Brüsseler Regelungswut die gesetzlichen Lücken, die dem kleinsten Vertreter der Walfamilie vielleicht den Garaus machen. Dabei ist es wieder einmal der gern verteufelte Nationalstaat, der effektiver handeln könnte, hätte er seine Kompetenzen nicht an Brüssel abgegeben. Dank der „Gemeinsamen Fischereipolitik“ kann Deutschland nämlich ohne Ermächtigung der EU keine einschlägigen Gesetze mehr erlassen.

Daher ist effizienter Walschutz zumindest in der deutschen Nordsee, wo sich am Sylter Außenriff die „Kinderstube“ der Schweinswale befindet, derzeit unmöglich. Denn nur deutschen Kuttern ist die Schlepp- und Stellnetzfischerei dort weitgehend untersagt. Dänische und niederländische Fischer dürfen ihre Netze weiter ausbringen und können die strengen Schutzvorgaben umgehen.

Das ist keine Bagatelle, da Proelß eine wissenschaftliche Studie zitiert, die zwischen 1987 und 2001 alljährlich 400 der Meeressäuger als „Beifang“ in den Maschen dänischer Stellnetzfischer zählte. Da hier die Gefahr besteht, die Ziele des europäischen ökologischen Verbundes von Schutzgebieten („Natura 2000) würden infolge der Fischereitätigkeiten anderer Mitgliedstaaten unterlaufen, müßten EU-Organe entweder deren Unionstreue erzwingen oder Deutschland ermächtigen, die eigenen Schutzstandards auf Fischereifahrzeuge anderer EU-Staaten auszudehnen.

Notfalls, bei fortgesetzter Untätigkeit der EU-Kommission, verweist Proelß auf einen Gang zum Europäischen Gerichtshof. Der Jurist glaubt jedoch, daß auch nationale Hausaufgaben zu machen sind: Zum dauerhaften Schutz der Schweinswale müsse endlich ein ganzjähriger, rigoroser Ausschluß der Fischerei in den Habitaten vor Sylt und Amrum verfügt werden.

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