© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  32/12 03. August 2012

Neuseeland zuerst
New Zealand First: Trotz einiger Rückschläge zeigen sich Winston Peters und seine Partei kämpferisch / Gegen „Bevölkerungsumbau“ und für den Schutz der heimischen Wirtschaft und Umwelt
Derek Turner

Neuseeland ist ein schizophrenes Land. Einerseits ist es stolz auf seine „fortschrittliche“ politische Kultur. Es war nicht nur weltweit das erste Land, in dem Frauen das Wahlrecht erhielten (1893), sondern zählte auch zu den Vorreitern bei der Einführung eines Rentenwesens (1898) und der rechtlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften (2004). In den 1980er Jahren erklärte es sich zur atomkraftfreien Zone und handelte sich erheblichen Ärger ein, indem es dieses Verbot auch gegen die mächtigen USA zur Geltung brachte.

Zugleich ist Neuseeland jedoch eine erzkonservative Gesellschaft. Viele Menschen fühlen sich nach wie vor dem Erbe und der Tradition ihrer britischen Vorfahren und dem Einfluß verpflichtet, den christliche Missionare in der Kolonie am anderen Ende der Welt ausübten, die 1947 ihre nationale Unabhängigkeit errang.

In den letzten Jahren jedoch hat sich der Charakter des Landes rapide verändert. Schätzungen gehen davon aus, daß der Bevölkerungsanteil asiatischer Einwanderer (an allererster Stelle Chinesen) bis 2021 auf 13 Prozent ansteigen wird. Dieser revolutionäre Bevölkerungswandel geht einher mit der längsten Rezession, die das Land je erlebt hat, und einem ständigen Brain-drain der am besten Ausgebildeten und Qualifizierten unter den Nachwuchsgenerationen – eine Lage der Nation, die gute Aussichten für populistische Parteien bietet.

Im Jahr 1978 wurde der damals 33jährige Rechtsanwalt Winston Peters als Abgeordneter der konservativen National Party erstmals ins neuseeländische Parlament gewählt. Ganz abgesehen von seinem ausgeprägten Intellekt war Peters dank seiner halbschottischen, halb-maorischen Abstammung ein politischer Glücksfall für eine Partei, der daran gelegen war, ihr Image zeitgemäß aufzupolieren und Unterstützung unter den Maori, den Ureinwohnern Neuseelands, zu gewinnen. Peters verlor seinen Sitz 1981, saß aber bereits drei Jahre später wieder im Parlament. 1987 wurde er zum Fraktionssprecher für Maori-Angelegenheiten und Rassenbeziehungen befördert. Als die National Party 1990 die Regierung übernahm, wurde Peters Minister für Maori-Angelegenheiten, mußte aber bereits im Folgejahr zurücktreten, nachdem er sich in wirtschafts- und außenpolitischen Fragen mit der Regierung überworfen hatte.

Peters trat daraufhin 1993 als unabhängiger Kandidat an und holte 90,8 Prozent der Stimmen in seinem Wahlkreis. Im selben Jahr gründete er eine neue Partei unter dem Namen New Zealand First („Neuseeland zuerst“), die sich gegen Einwanderung, politische Korrektheit, wirtschaftliche Liberalisierung und den Rückbau des Sozialstaats wandte. Im ersten Anlauf konnte die Partei zwei Mandate erringen, 1996 waren es bereits 17. Damit drängte sie sich als Koalitionspartner für die National Party unter Jim Bolger geradezu auf, und Peters wurde Vize-Ministerpräsident.

Das Verhältnis zwischen National Party und New Zealand First war jedoch stets gespannt, was sogar dazu führte, daß Peters von 2005 bis 2008 ein Bündnis mit der damaligen Labour-Regierung einging. Zum Dank – und zur allgemeinen Befremdung angesichts seines Standpunkts in einwanderungspolitischen Fragen – erhielt er den Posten des Außenministers. Man hält ihm das Verdienst zugute, die notorisch problematischen Beziehungen zwischen Neuseeland und den USA verbessert zu haben. Die eigene Wählerbasis nahm ihm den Pakt mit Labour jedoch ebenso übel wie die gegen New Zealand First erhobenen Vorwürfe bezüglich illegaler Parteifinanzierung. Folgerichtig stand die Partei 2008 ohne ein einziges Mandat da. Im vergangenen Jahr holte sie jedoch acht Sitze zurück (von insgesamt 121 im neuseeländischen Parlament, dem „Bienenstock“ in der Hauptstadt Wellington), und Peters konnte seine gewohnte Rolle als streitlustiger Regierungskritiker wieder einnehmen.

Die „Fünfzehn Parteigrundsätze“ von New Zealand First bieten einen Mix aus Bekenntnissen zum schlanken Staat und niedrigen Steuern, Forderungen nach einer protektionistischen Wirtschaftspolitik, Maßnahmen zum Umweltschutz, Einsparungen bei der Entwicklungshilfe, einer Reduzierung der Einwanderungsquote, Investitionen im Gesundheits- und Bildungswesen und gesetzlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption. Insofern ist die Partei politisch schwer einzuordnen, auch wenn sie quasi unvermeidlich immer wieder als „rechtsaußen“ bezeichnet wird, zumal Peters die Einwanderung aus Asien als „importierte kriminelle Aktivität“ bezeichnet und die Labour-Partei bezichtigt, eine „Politik des Bevölkerungsumbaus“ zu betreiben. Der Islam wiederum habe „zwei Gesichter – ein gemäßigtes und eine militante Kehrseite“.

Viele Maori hassen die Nachfahren weißer Siedler, was jedoch keineswegs bedeutet, daß sie die Einwanderung aus Asien und den dadurch entstehenden Bevölkerungswandel begrüßen. Einwanderungspolitik ist ein komplexes Thema in Neuseeland. Die Maori, die in der Regel ärmer sind als weiße Neuseeländer, haben stärker unter der Masseneinwanderung zu leiden. Deswegen sind ihnen die Neuankömmlinge aus Asien nicht weniger verhaßt als einst die Neuankömmlinge aus Europa.

Doch die Zeiten, in denen New Zealand First sich auf die Unterstützung einer Mehrheit der Maori verlassen konnte, die einen Bevölkerungsanteil von immerhin zwölf Prozent ausmachen, sind vorbei. Vor allem die Konkurrenz von zwei kleineren Maori-Parteien, macht Peters die Wähler streitig. Im derzeitigen Parlament kann New Zealand First wenig ausrichten – aber 2014 stehen die nächsten Wahlen an, und die bisherige wechselvolle Parteigeschichte hat gezeigt, daß man den unberechenbaren Peters noch lange nicht abschreiben sollte.

Foto: Winston Peters: Seit Jahren sorgt der Gründer von New Zealand First für politischen Wirbel in Neuseeland

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