© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  32/12 03. August 2012

Zeitschriftenkritik: 11 Freunde Spezial
Eine Frage von Sein oder Nichtsein
Christian Vollradt

Die Zeit des Wartens ist bald vorbei, an diesem Freitag endet endlich die Durststrecke, die spätestens mit dem EM-Finale (wenn nicht schon mit dem Ausscheiden der deutschen Elf) begonnen hat: Es ist wieder Bundesliga, zumindest die 2. Garnitur nimmt den Spielbetrieb jetzt auf. „Fußball ist nicht alles. Das stimmt. Mit einer Ausnahme: Wenn man Fußballfan ist.“ So brachte es der Schriftsteller Péter Esterházy auf den Punkt. Denn wo es für „normale“ Menschen nur um ein Spiel von 22 Mann, einen Ball und zwei Tore geht, ist es für Fußballverrückte eine Frage von Sein oder Nichtsein.

Erfreulich darum, daß die Macher des Ballkulturmagazins 11 Freunde ein spezielles Sonderheft ganz dem Phänomen Fußballfan, genauer der Historie des Fan-seins, gewidmet haben. Entscheidend ist also – abweichend vom üblichen Schwerpunkt in Sportzeitschriften – in diesem Fall nicht, was auf, sondern was neben dem Platz geschieht. Und das ist eine Menge, ebenso vielseitig wie zum Teil widersprüchlich.

Da gibt es etwa eine eindrucksvolle, mit Zeitzeugen unterfütterte Geschichte über das Duell um die Westfalenmeisterschaft von 1947 zwischen den berühmten Schalkern und einem noch unbekannten Dortmunder Stadtteilverein namens Borussia inmitten des noch vom Bombenkrieg gezeichneten Ruhrpotts. Oder den Erlebnisbericht deutscher Schlachtenbummler bei der WM in Mexiko 1970. Daß es Fußballfans um mehr als den „reinen“ Sport geht, unterstreicht der Artikel über die Anhänger von Lechia Danzig, die bei einem Europapokalspiel 1983 der Fernsehöffentlichkeit ihr „Nieder mit dem Kommunismus!“ entgegenschmetterten. Apropos Kommunismus: Drastisch-anschaulich liest sich die Geschichte einer Auswärtsfahrt mit dem berüchtigten „Stasi-Club“ BFC Dynamo.

Die Schattenseiten des Fußballfanatismus werden nicht verschwiegen, zu denen das Europapokalfinale zwischen Juventus Turin und dem FC Liverpool im Brüsseler Heysel-Stadion ohne Zweifel gehört. Für eine britische Zeitung waren in den Ausschreitungen nicht allein 39 Menschen, sondern der Fußball an sich gestorben. Daß dem doch nicht so ist und daß Kicken kein reiner Proletensport ist, beweist die Entwicklung seit Mitte der neunziger Jahre, als Fußball salonfähig wurde, man begann, Logen in die Stadien zu bauen. Solche Kommerzialisierung ist 11 Freunde natürlich auch nicht recht, weswegen man ein Loblied auf die Stehplätze singt, die Neugründung „von unten“ der Austria Salzburg würdigt und allerhand skurrile Fan-Typen – ob aus England, Italien, Brasilien oder Deutschland – abfeiert. Dazwischen wird reichlich „unnützes“ Wissen dargereicht, ob über die gewandelte Stadionmode (vom Kuttenträger über den „Casual“ zum Kapuzenpulli-Ultra) oder die kulinarischen Besonderheiten am Spielfeldrand. Ausdrückliches Lob dafür, daß im Zeitstrahl am Schluß des Heftes erwähnt wird, wo die Brutstätte des deutschen Fußballs (und damit seiner Fankultur) beheimatet ist: in Braunschweig!

Kontakt: 11FREUNDE Verlag, Palisadenstraße 48, 10243 Berlin. Das Heft kostet 6,90 Euro. www.11freunde.de

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