© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  32/12 03. August 2012

DDR-Theologen: Druck aus dem Westen, sich mit dem DDR-Regime zu arrangieren
Fataler Anpassungsdruck
(wk)

Historiker wie Gerhard Besier stigmatisierten die evangelischen Kirchenführer und Theologen der ehemaligen DDR als üble Opportunisten und Stasi-Zuträger. Dabei versäumten sie allerdings eines komplett, nämlich die westlichen Einflüsse auf die DDR-Protestanten zu berücksichtigen. Diese Forschungslücke schließt nun ein Aufsatz des Münsteraner Religionssoziologen Detlev Pollack und der Bielefelder Historikerin Hedwig Richter in der Historischen Zeitschrift (3/2012). Aus diesem Text geht hervor, daß die weit verbreitete fundamentalkritische Haltung des protestantischen Milieus in Mitteldeutschland erst im Verlaufe der siebziger Jahre zu bröckeln begann, als der Ökumenische Rat der Kirchen in Genf einen deutlichen Kurswechsel vornahm, der darauf hinauslief, den Kapitalismus zunehmend kritischer und den Sozialismus entsprechend positiver zu sehen. Aus dieser überaus naiven Verharmlosung des antichristlichen Charakters der Regimes hinter dem Eisernen Vorhang, die natürlich im Zeitgeist wurzelte, erwuchs dann logischerweise ein Anpassungsdruck mit teilweise fatalen Folgen. Das heißt, ideologisch verblendete West-Theologen bestärkten ihre bis dahin eher widerständigen Kollegen im Osten, sich mit dem SED-Staat zu arrangieren. Auch das gehört zur historischen Wahrheit über die Kirche in der DDR.

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