© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  32/12 03. August 2012

Leserbriefe

Zu: „Mehr Selbstbewußtsein“ von Michael Paulwitz, JF 30-31/12

Das Laufen in gebückter Haltung

Wir leben in Andalusien, mit englischen und deutschen Nachbarn. Jüngst besuchte uns der englische Nachbar, ein ehemaliger Offizier, der in der Nachkriegszeit im Munsterlager stationiert war. Er hatte Tage zuvor mit dem anderen deutschen Nachbarn – einem frühpensionierten, völlig entkräfteten Schuldirektor aus NRW und typischen Altachtundsechziger – ein Streitgespräch geführt. Er konnte es nicht fassen, daß Schuldirektoren in Deutschland keinen Nationalstolz besitzen und das ihren anvertrauten Schülern vermitteln. Vor den Deutschen, so sein Tenor, könne man keine Achtung haben, sie seien Duckmäuser und ohne Rückgrat, wir liefen wie im Krieg in gebückter Haltung.

Horst Pfeil, Malaga / Spanien

 

 

Zu: „Karlsruhe läßt sich nicht drängen“ von Dieter Stein, JF 30-31/12

Einheitsparteien der Unvernunft

Treffender und deutlicher kann eine Kolumne nicht sein. Nicht nur, daß unsere Mandatsträger schon lange die Grundrechenarten außer Kraft setzen wollen und faktisch Meineide geschworen haben (... zum Wohle des deutschen Volkes), nein, es wird auch versucht, Entscheidungen unabhängiger Gerichte gezielt zu beeinflussen. Weltuntergangsszenarien, die sowieso nicht vom deutschen Volk zu verantworten wären, müssen herhalten, um die gewünschten Entscheidungen gegen jede Vernunft und gegen jedes geltende Recht zu erreichen. Wann endlich bildet sich eine vernünftige Alternative zu den Einheitsparteien?

Peter Müller, Schwarz / Mecklenburg

 

 

Zu: „Im Keller des Finanzsystems“ von Markus Brandstetter, JF 30-31/12

Das Wohl der Deutschen im Auge

Für verantwortungslose Finanzakteure sollte es keine Kronzeugenregelung geben, wenn sie durch Kartellabsprachen oder andere betrügerische Machenschaften die Allgemeinheit schädigen. Ich vertraue auf verantwortungsvolle Staatsanwälte und Richter, die das Wohl des deutschen Volkes im Auge haben.

Dr. Ulrich Röhr, Hamburg

 

 

Zu: „Entgiften, entrümpeln, entzaubern“ von Markus Brandstetter, JF 30-31/12

Eine Offenbarung reinster Musik

Im Jahr 1993 durfte ich den Ring hören, als konzertante Aufführung der Bayerischen Staatsoper mit einer Spitzenbesetzung im Münchner Gasteig. Kein sogenannter „Regisseur“ konnte dabei mit seinen elenden Gehirnflatulenzen dieses Meisterwerk verballhornen, es war eine Offenbarung reinster Musik. Man hatte sein Textbuch dabei, die Bilder entstanden im Kopf eines jeden Zuhörers, die Begeisterung des Publikums war unbeschreiblich. Es wird mir immer unbegreiflich bleiben, daß Dirigenten, Orchester und Sänger sich dazu hergeben, sich diesem Regietheater zu unterwerfen.

Hans Daxer, Marquartstein

 

Kulturpolitisch alternativlos!

Welch ein erfrischender Beitrag zu Richard Wagner! Wenn man sich den neuesten Münchner „Ring“ angetan hat, mußte man, wie üblich in deutschen Inszenierungen, über weite Strecken die Augen schließen, diesmal, um dem brillant aufspielenden Orchester (unter Kent Nagano) und den der Bayerischen Staatsoper angemessenen Sängern ohne Zorn lauschen zu können. Auch der wirre Regisseur Kriegenburg hat seine Pflicht erfüllt, indem er mit Akribie, unsäglichen handwerklichen Schlamperei­en und einem geradezu blödsinnigen Aufwand an Personal und Material seine individualistischen Skurrilitäten an die Musik schmierte, wie pubertäre Graffiti-Sprüher die ihren an Hauswände. Wagners Werk niederzumachen, das ist kulturpolitisch korrekt, alternativlos!

Erich Drosen, Oberschleißheim

 

 

Zu: „Martin Schulz irrt“ von Bernd Noske, JF 29/12

Aufschrei vergeblich gesucht!

Im „Interview der Woche“ im Deutschlandfunk am 8. Juli 2012 hat der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz seinen Unwillen geäußert, daß Zeitungen – sogar seriöse – sich kritisch zur Europolitik äußern dürfen, und daß das Bundesverfassungsgericht frei gewählten Volksvertretern vorschreiben darf, was sie beschließen dürfen. Einen Aufschrei gegen diese Äußerungen habe ich in Presse und Funk vergeblich gesucht! Nimmt man Martin Schulz nicht ernst oder will man ihn schonen?

Für mich war deutlich: Der Präsident des Europaparlaments wünscht einen Maulkorb für die kritische Presse und für das Bundesverfassungsgericht. Das ist das Demokratie- und Rechtsverständnis dieses prominenten Europapolitikers!

Hans-Georg Gleditsch, Bad Salzuflen

 

 

Zu: „Kampf um die Vorhaut“ von Birgit Kelle, JF 28/12

Unterschätztes Blutungsrisiko

Die durch das Kölner Gerichtsurteil ausgelöste Diskussion berücksichtigt zu wenig die Risiken und Komplikationsmöglichkeiten insbesondere bei der am achten Lebenstag sowie meist von Nichtmedizinern durchgeführten Beschneidung von Neugeborenen. Es ist in der jüdischen Religion nicht klar festgelegt, daß nicht auch Frühgeborene mit zum Teil unter 1.000 Gramm Geburtsgewicht der dann sehr belastenden Operation unterzogen werden müssen, was in England seit Jahren zu heftigen Diskussionen geführt hat. In der Fachliteratur werden für die Beschneidung Komplikationsraten von zwei bis 10 Prozent angegeben und vereinzelt Todesfälle beschrieben. Auf das Blutungsrisiko bei angeborenen Gerinnungsstörungen wird schon im Talmud eingegangen, wobei der dritte Sohn nicht beschnitten werden muß, falls die ersten beiden Söhne nach dem Eingriff verblutet sind.

Mangelhafte Hygiene bei der nach rituellen Vorschriften durchgeführten „Heimbeschneidung“ sollte dazu führen, daß der Eingriff nur von Ärzten mit entsprechender Erfahrung und in geeigneten Räumen durchgeführt werden darf, die vorherige medizinische Untersuchung des Kindes obligatorisch ist und eine Beschneidung Frühgeborener verschoben werden muß.

Prof. Dr. med. habil. Peter Carl, Deggendorf

 

Sechs Prozent revisionsbedürftig

Als Urologe muß ich richtigstellen, daß es sich bei der Zirkumzision zwar um einen relativ kleinen, meist in Lokalanästhesie durchgeführten Eingriff handelt, der aber in nicht zu vernachlässigendem Maße auch mit Komplikationen wie Nachblutung, Infekten, Eichelverletzungen bis hin zum vollständigen Verlust der Eichel (auch in Universitätskliniken schon vorgekommen) belastet sein kann.

Laut Statistiken kommt es allein zu sechs Prozent revisonsbedürftigen Nachblutungen. Eine solche Komplikation führte ja wohl auch zu der Klage und dem Urteil! Die Durchführung eines solchen Eingriffes allein unter religiösen Gründen ohne medizinische Indikation ist für einen deutschen Arzt medizinrechtlich gesehen problematisch und kann ihn einer Strafverfolgung aussetzen. Dies sollte das Urteil wohl untermauern und ist für einen Urologen nachvollziehbar. Kaum thematisiert wird auch der sehr häufig gestellte Wunsch islamischer und jüdischer Eltern, diese medizinisch nicht indizierte Beschneidung als Krankenkassenleistung durchführen zu lassen. Doch durch Gesetz sind die Ärzte in Deutschland verpflichtet, im Erstattungsbereich gesetzlicher Krankenkassen nur medizinisch notwendige Behandlungen und Eingriffe durchzuführen. Religiöse Gebräuche und Riten müssen hierbei unbeachtet bleiben. Der Vergleich des Urteils zur Beschneidung mit dem Holocaust ist infam und unverschämt!

Um die angeheizte Stimmungslage zu entschärfen, wäre einfach auf die fehlende medizinische Notwendigkeit (Wunscheingriff!), die möglichen Komplikationen und die Honorarerstattung außerhalb der Kassenleistungen hinzuweisen. Gleiches sollte für die Erstattung etwaiger Folgekosten bei notwendiger stationärer Nachbehandlung – im Klagefall handelte es sich offenbar um zehn Tage! – eine Rolle spielen. Herr Graumann braucht sich dann auch keine Gedanken darüber zu machen, ob jüdisches Leben in Deutschland weiter möglich ist.

Dr. med. Ulrich Uthmann, Heidelberg

 

Verschämtes Verschweigen

Es ist erschreckend, wie Ihre Autorin die religiös motivierte Beschneidung bei Kindern männlichen Geschlechts zu rechtfertigen sucht und ihr Plädoyer für Verstümmelung auf Krankenschein mit angeblicher „Hygiene“ und Verhütung von Aids-Infektionen begründet. Von dieser ebenso menschenverachtenden wie finsteren Praxis verabschiedete sich selbst die WHO klammheimlich, nachdem eine von ihr finanzierte Studie aus humanitären Gründen vorzeitig abgebrochen werden mußte. Daß Frau Kelle davon offenbar nichts weiß, verwundert indessen nicht, wurde das Thema in der Presse doch verschämt verschwiegen. Hierzu wie zur grundsätzlichen Problematik der männlichen Beschneidung, des weltweit am häufigsten durchgeführten chirurgischen Eingriffes, sei deshalb unbedingt auf die Internetseite beschneidung-von-jungen.de verwiesen.

Alfred Brück, Basel / Schweiz

 

Wo bleibt das sichtbare Zeichen?

Um in der unerträglich werdenden Beschneidungsdebatte ein sichtbares Zeichen zu setzen, sollten unsere Politiker ihren salbungsvollen Worten endlich Taten folgen lassen! Ich fordere daher alle für die Beschneidung votierenden Bundestagsabgeordneten auf, sich in einer würdevoll inszenierten, interreligiösen Brit Mila ebenfalls beschneiden zu lassen. Mit gutem Beispiel vorangehen sollte Außenminister Westerwelle, der dankenswerterweise als einer der ersten eine Lanze für die Beschneidung brach. Vielleicht ist sein Ehemann Michael Mronz von der neuen Optik ja geradezu entzückt. Mit Minister Rösler wäre sogar ärztliche Kompetenz vertreten. Allerdings erscheint mir die Anwesenheit eines erfahrenen Narkosearztes ebenfalls ratsam.

Ich selbst bin leider ein wenig engstirnig, auch wenn uns im gymnasialen Religionsunterricht die hygienischen Vorzüge einer Zirkumzision gebetsmühlenartig vorgeleiert wurden. Dennoch sage ich schon jetzt meine ehrenamtliche Teilnahme an obiger Brit Mila zu.

Sylvie Becker, Bad Homburg

 

In Deutschland kein Linksverkehr

Ihre Kolumnistin Kelle mahnt in bezug auf das Kölner Beschneidungsurteil, daß diese Praxis weltweit etabliert sei und die darin erkannte Körperverletzung in die Religionsfreiheit eingreife. Linksfahren im Straßenverkehr ist auch weltweit etabliert, trotzdem müssen diese Linksfahrer in Deutschland die hier herrschende Verkehrsordnung respektieren. Am Ende haben wir sonst eine rechtliche Vielgleisigkeit und schließlich Rechtschaos.

Hans Kopatsch, Mossautal

 

Ein Urteil der Überheblichkeit

Das Kölner Urteil ist von Überheblichkeit gekennzeichnet. Deutlich wird dies auch an der Frage, wer den westlichen, den sogenannten „aufgeklärten“ Europäern denn eigentlich das Recht verliehen hat, in die religiösen Traditionen ganzer Völker einzugreifen. Hat das Kölner Landgericht wirklich angenommen, mit seiner Bewertung der „religiösen Beschneidung von Jungen als Körperverletzung“ bei Millionen von Muslimen und Juden einen schlagartigen Sinneswandel hervorrufen zu können? Ist das Abendland tatsächlich von lauter Erleuchteten bevölkert, die den rückständigen Völkern des Orients erstmal gute Sitten beibringen müssen? Was nützen alle noch so lauten Beteuerungen, daß der „Islam zu Deutschland gehöre“ oder auch die Muslime, wenn man gleichzeitig von ihnen verlangt, daß sie eben das nicht mehr sein sollen, sobald sie unseren Boden betreten?

Uta Lenkewitz-v. Zahn, Rheinbach

 

 

Zu: „Wie geht’s weiter mit dem Euro?“, JF 28/12

Zauberlehrling ohne Meister

Die vergebliche Euro-Retterei erinnert an Goethes „Zauberlehrling“, der sich als „Auszubildender“ in Abwesenheit seines Meisters dessen Fähigkeit anmaßte, Wunderdinge zu tun, und dabei die Kontrolle über das sich anbahnende verhängnisvolle Geschehen verlor. Genau so ergeht es unseren erbärmlichen Euro-Zauberlehrlingen, die die Euro-Schleusen weit geöffnet und damit eine Sintflut im gesamten Euro-Raum erzeugt haben. Ein alter Meister, der das Unheil – wie in Goethes Gedicht – verhindern könnte, ist nicht in Sicht.

Henning Burgwald, Kappeln

 

Wer rettet am Ende die Retter?

Die Wirklichkeit ist so verrückt, daß man sie sich in der Phantasie kaum verrückter ausdenken könnte. Ein Staatenbund bindet sich durch eine gemeinsame Währung, wobei die Staatsausgaben durch immer höhere Schulden finanziert werden. Schwache Staaten, schon vorher fast pleite, nutzen dies, um die Verschuldung mit billigen Krediten exzessiv zu erhöhen. Der Finanzmarkt spürt, daß dies nicht ewig so weitergehen kann und wettet auf die Pleite der Schwächsten. Nun hat der Staatenverbund, nennen wir ihn EUdSSR, die Schuldigen an der Misere gefunden: die Spekulanten!

Sogenannte Rettungsschirme müssen jetzt die schwächsten Staaten vor der Pleite bewahren. Aber je mehr Staaten unter den Rettungsschirm flüchten, um so mehr müssen die übrigen Staaten zahlen. Das Ende ist für jeden abzusehen, der in der Schule in Mathematik nicht völlig durchgefallen ist: Die Rettungsschirme lösen die Überschuldung nicht, sondern verschieben sie nur auf die wenigen, wirtschaftlich stärkeren Staaten. Diese geraten mit in den Abgrund. Wer rettet am Ende die Retter? Wird das Bundesverfassungsgericht gemeinsam mit dem Bundespräsidenten den Mut haben, den Rettungswahnsinn zu stoppen?

Thomas Dietz, Lugau

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