© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/12 10. August 2012

Mario Monti und die Euro-Rettung
Lästige demokratische Kontrolle
Dieter Stein

Hohe Wellen hat eine Interviewäußerung des italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti geschlagen. Gegenüber dem Spiegel hatte Monti zur Euro-Rettungspolitik festgestellt, daß sich jede Regierung nach den Entscheidungen ihres Parlamentes zu richten habe. Aber: „Jede Regierung hat auch die Pflicht, das Parlament zu erziehen.“ Diese lakonische Bemerkung wurde so ausgelegt, daß Parlamente ein lästiges Hindernis seien und an die Kandare der Regierungen gehörten.

Monti hat letztlich nur die politische Realität beschrieben. Regierungen haben schon immer auf ihre Parlamente eingewirkt und sei es kraft der rhetorischen Gewalt der Regierenden. Daß sich Monti genötigt sah, seine Äußerungen zu kommentieren und abzumildern, liegt am verbreiteten Mißtrauen gegen die Euro-Rettungspolitik, hinter deren Kulisse immer mehr Bürger die Etablierung einer EU-Dikatur identifizieren. Daß ausgerechnet Politiker aus dem deutschen Regierungslager Monti beifallheischend kritisierten und sich auch Merkel von ihm absetzte, diente als Beruhigungspille für eigene Bürger und Abgeordnete. Denn der soeben durchgepaukte ESM-Vertrag beinhaltet nichts anderes als eine radikale Entmachtung der Parlamente und ein der Kontrolle des Parlamentes entzogenes Direktorium, das Haftungszusagen in unbegrenzter Höhe zu Lasten des deutschen Steuerzahlers eingehen kann.

Die Beseitigung der Verantwortlichkeit der Regierenden entspricht der Logik des Euro-Konstruktes, da es bei der jetzt durchgesetzten Euro-Rettungspolitik um die prinzipielle Aufgabe von Haftung und Verantwortung geht. Im althergebrachten Sinne muß eine Bank, ein Unternehmen, ein Staat für Mißwirtschaft und Überschuldung zunächst steigende Zinslast und in letzter Konsequenz Zahlungsunfähigkeit hinnehmen. Der Staat kann einen Bankrott bei eigener Währungshoheit durch das Anwerfen der Notenpresse (Inflation) eine Weile hinauszögern oder vertuschen, was Banken und Unternehmen verstellt ist, es sei denn, sie lassen sich als „systemrelevant“ retten oder werden verstaatlicht.

Im Zuge der Vergemeinschaftung der Schulden wird die Verantwortlichkeit der Staaten aufgelöst. Sie müssen nicht mehr die Konsequenzen hoher Zinsen für schwache Staatsanleihen tragen, und die Geldbeschaffung ist bei der Zentralbank und deren Notenpresse bis ultimo bei Niedrigzinsen möglich. Löst man diese Verantwortlichkeit auf, ist es insofern nur konsequent, die anachronistische Rechenschaft der Regierenden gegenüber denjenigen zu beseitigen, die sie ins Amt gebracht haben: die Bürger und ihre Repräsentanten, die Volksvertreter. Mit den Schulden wird auch die auf Volkssouveränität gegründete Demokratie vergemeinschaftet – und aufgelöst.

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