© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/12 10. August 2012

„Grenzen wurden überschritten“
Streit um Ruderin: Politiker fordern Konsequenzen für Nadja Drygalla
Henning Hoffgaard

Wer sich aktuelle Fotos von Nadja Drygalla anschaut, erkennt die 23 Jahre alte Sportlerin kaum noch wieder. Das lebenslustige Lächeln vergangener Tage ist verschwunden. Die junge Frau wirkt traurig, geschafft, gebrochen. Seitdem ihre Beziehung zu einem ehemaligen NPD-Mitglied, der auch bei den „Nationalen Sozialisten Rostock“ aktiv gewesen sein soll, am 1. August auf einer anonymen linksextremen Internetseite thematisiert wurde, steht die Welt der jungen Sportlerin kopf. Nur Stunden nachdem erste Zeitungen die Antifa-Meldung aufgegriffen hatten, bittet der Chef der deutschen Olympiamannschaft, Michael Vesper, die Ruderin zum Rapport. Am Ende des Gesprächs gibt Drygalla bekannt, sie werde das olympische Dorf in London unverzüglich verlassen.

Anstatt die Wogen so zu glätten, nimmt die Debatte um das Privatleben der Sportlerin danach erst richtig Fahrt auf. Welt und Bild veröffentlichen Anfang der Woche verpixelte Antifa-Fotos einer rechtsextremen Kundgebung. Vorwürfe werden laut, es handele sich bei einer schlecht erkennbaren blonden Demonstrantin um Drygalla. Sie dementiert, schließlich rudert auch die Springer-Presse zurück. Doch die politische Diskussion ist zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr zu stoppen. Als erstes hatte sich die Linken-Politikerin und Vizepräsidentin des Bundestags, Petra Pau, aus der Deckung gewagt. Der Athletin sei bereits seit Jahren ein „strammer Hang ins Nazimilieu“ nachgesagt worden, behauptet Pau. „Meiner Meinung nach wäre nach den vorliegenden Informationen eine Olympiateilnahme von Nadja Drygalla nicht zu rechtfertigen gewesen.“

Ähnlich äußert sich auch die Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, Dagmar Freitag (SPD). Sie will das Thema nach der Sommerpause auf die Tagesordnung setzen. Die Intention ist deutlich. Sippenhaft dürfe es nicht geben, meint sie, und läßt prompt ein Aber folgen. Nun müsse sich die Bundeswehr, bei der Drygalla einen Antrag auf Sportförderung gestellt hatte, fragen lassen, ob sie die Athletin fördern wolle. Zudem müsse Klarheit geschaffen werden, welche Beziehungen die Ruderin zur rechtsextremen Szene habe und warum sie ihre Ausbildung bei der Polizei in Mecklenburg-Vorpommern beendet habe. Der Geschäftsführer des Landessportbundes Mecklenburg-Vorpommern, Torsten Haberland, riet der Sportlerin sogar, sich einen neuen Freund zu suchen.

Erwin Sellering (SPD) geht das zu weit. Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern erhob am Dienstag schwere Vorwürfe gegen Innenministerium und Ruderverband. „Man kann sie nicht aus London nach Hause schicken und diesem Mediensturm überlassen, sondern dann muß man auch sagen: Nach unserer Auffassung ist ihr nichts vorzuwerfen“, sagte der SPD-Politiker. Es dürften keine Mutmaßungen über das Privatleben der Sportlerin ausgetauscht werden, derren Nominierung im übrigen nicht zu beanstanden sei. Auch Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) will sich von der Hysterie nicht anstecken lassen. Drygallas Antrag auf Sportförderung werde unvoreingenommen geprüft.

Unterdessen prüft das Bundesinnenministerium bereits einen Gesinnungs-Tüv für Sportvereine. Mit Drygalla, die sich während ihrer Karriere bislang niemals politisch äußerte, hat das nichts zu tun. „Ich habe viele Bilder gesehen, unter denen mein Name stand und vermeintliche Fakten gelesen, die einfach falsch sind“, sagt sie bestürzt der Nachrichtenagentur dpa. Ihr Freund habe sich nun aus der Szene zurückgezogen. Die NPD bestätigte unlängst seinen Austritt aus der Partei. Drygalla sagt, sie wolle derzeit nur noch eines: „Rudern.“

Foto: Olympiateilnehmerin Nadja Drygalla: Die sportliche Zukunft der Athletin ist ungewiß

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