© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/12 10. August 2012

Nürburgring bringt Beck ins Schleudern
Rheinland-Pfalz: In der Affäre um die Pleite des Erlebnisparks gerät der Ministerpräsident unter Druck
Michael Martin

Kurt Beck hat in seinem politischen Leben schon viele Rollen gespielt. Die des pragmatischen Politikers, der souverän eine rot-gelbe Landesregierung führte. Dann die des alleinherrschenden Landesvaters von Rheinland-Pfalz und schließlich seit der Landtagswahl im März 2011 die des innovativen Erneuerers, der mit einem rot-grünen Bündnis die Zukunft gestalten will.

In der vergangenen Woche zeigte Beck eine bisher unbekannte Seite. Die des reuigen Sünders. In einer Sondersitzung des Haushaltsausschusses entschuldigte sich der 63jährige SPD-Politiker für die Insolvenz des Nürburgrings.

Er wolle die Rheinland-Pfälzer, vor allem die Einwohner der betroffenen Eifelregion und die Beschäftigten am Nürburg-ring, „um Entschuldigung bitten, daß wir sie in eine solche Unsicherheit geführt haben“, sagte Beck im Mainzer Landtag. Für das, was bei der landeseigenen Nürburgring GmbH geschehe, habe die Politik die Verantwortung. „Und die politische Gesamtverantwortung liegt bei mir. Das war so und das ist und das bleibt so“, sagte Beck. Einen Rücktritt lehnte der mit 18 Amtsjahren dienstälteste Ministerpräsident aber erneut ab. Doch der Rückhalt in der Bevölkerung schwindet zusehends. Jahrelang galt Beck zwar als etwas spröde und ungeschickt, aber auch als verläßlich und jovial. Eher Kumpeltyp als Staatsmann – mit dieser Attitüde hielt er sich auf dem Mainzer Regierungssessel. Und er liebte die Rolle des Kümmerers. Er wußte, daß die Menschen in der strukturschwachen Eifel eine besondere Verbundenheit mit ihrer Rennstrecke pflegen.

Und er wußte auch, daß das Areal im Vulkangebiet schwer in die Jahre gekommen war. 85 Jahre lang kreisten zwar die Rennautos, doch einen wirtschaftlichen Boom verschafften die paar Rennwochenenden im Jahr nicht Die Idee, eine Anlage für die ganze Familie zu schaffen, war nicht neu: Einen Erlebnispark mit Achterbahn, Discos und Vier-Sterne-Hotel wünschte man sich schon in den neunziger Jahren. Ab 2004 macht die SPD Nägel mit Köpfen. Die FDP setzt damals durch, daß mindestens 50 Prozent privat finanziert werden müssen. 2007 begannen die Bauarbeiten, zwei Jahre später platzen die Schecks dubioser Investoren. Beck läßt seinen damaligen Finanzminister Ingolf Deubel über die Klinge springen, die Staatsanwaltschaft ermittelt bis heute wegen des dubiosen Finanzierungskonstrukts mit spekulativen Fonds, Kontakten in Dubai und Zahlungen nach Liechtenstein. Beck läßt sich nicht beirren, eröffnet den Park als Schirmherr und gibt sich siegessicher: „Die Finanzierung steht.“ Doch das stellt sich als glatte Lüge heraus.

Wenig später muß eine landeseigene Bank mit einem 330-Millionen-Euro-Kredit einspringen, die drohende Pleite des Parks wird zur Chefsache erklärt. Doch die Eifel ist schwer zu erreichen, kein klassisches Touristengebiet. Die Besucher bleiben aus, der private Pächter kann die Pachtzahlungen nicht mehr leisten, daraufhin der Betreiber die Kredite nicht bedienen. Im Frühjahr 2012 ist klar: Becks Prestigeobjekt ist pleite. Am Mittwoch vergangener Woche gab der Haushalt mit den Stimmen der rot-grünen Mehrheit eine Haushaltsrücklage von 254 Millionen Euro frei – auch die landeseigene IBZ-Bank stand vor dem Kollaps.

Und was macht Kurt Beck? Er räumt Fehler ein, übernimmt Verantwortung und versucht die Affäre auszusitzen. Es tue ihm „mehr als nur leid“, daß seine Regierung das Großprojekt eines Freizeitparks am Ring früher nicht anders beurteilt habe, räumte er gegenüber der Süddeutschen Zeitung ein und fügte hinzu: „Jetzt zeigt sich, das ist zu groß geraten.“ Seine Begründung: „Ich bin jeden Tag auf den Rat von Fachleuten angewiesen. Darauf muß ich mich verlassen können. Ich kann nicht immer alles anzweifeln.“ Trotzdem übernehme er die „Gesamtverantwortung“ für die jetzige Lage. Er habe die Bürger vor der Landtagswahl 2011 nicht über die Aussichten am Nürburgring belogen. Falls 200 Millionen Euro verlorengingen, was er nicht glaube, werde „das Land nicht handlungsunfähig“.

Julia Klöckner, Oppositionsführerin der CDU, geht dies nicht weit genug. Den Christdemokraten stößt die Wahlniederlage von 2011 immer noch bitter auf. Damals lag die Union nur hauchdünn hinter der SPD, die davon profitierte, daß das Reaktorunglück in Japan die Grünen in luftige Höhen und die FDP aus dem Mainzer Landtag spülte. Immerhin: In allen aktuellen Umfragen liegt die Union weit vor der SPD, diese hätte mit den Grünen keine Mehrheit mehr. „Das ist eine geplante Chronologie der Pleiten“, sagte die Fraktionschefin der CDU in der vergangenen Woche. Der Ring-Ausbau für 330 Millionen Euro sei „in Beton gegossener Wahnsinn“. Beck sei nicht verantwortungsvoll mit Landesgeld umgegangen. „Wir geben Ihnen die Chance, aus eigenem Antrieb zu handeln. Wenn Sie aber dennoch alles aussitzen wollen, dann gehen wir weiter.“ Die CDU werde in der nächsten Landtagssitzung Ende August einen Antrag auf Vertrauensentzug stellen.

Beck gibt sich gelassen: „Veränderte Mehrheitsverhältnisse im Parlament sehe ich nicht.“ Ein Mann klebt an seinem Sessel. Pattex-Kurt nennen sie ihn bereits, nicht nur in der CDU.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen