© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/12 10. August 2012

Der Facebook-Aktienkurs hat sich seit Mai fast halbiert
Überschätzter Datenkrake
Michael Manns

Es war einmal ein fetter, gefräßiger, hinterlistiger Krake. Er hieß „Gesichtsbuch“ und lebte im Wilden Westen. Als er noch klein war, putzte er sich hübsch heraus und säuselte verführerisch allen ins Ohr: Das Schönste, was es gibt auf der Welt, ist die Freundschaft. Und ich will, daß alle Menschen Freunde werden. Kommt alle zu mir. Ihr sollt euch vertrauen und keine Geheimnisse haben – am wenigsten vor mir. Alles, was ihr tut, fühlt und denkt, was ihr wollt und euch wünscht, sollt ihr auf meine große Pinnwand schreiben.

„Gesichtsbuch“ ließ schlaue Experten für sich arbeiten. Die konstruierten eine Technik, mit der die Menschen auf dieser großen Pinnwand alles notieren und lesen konnten – jeder über jeden. Und die Menschen, die „Gesichtsbuch“ einfing, waren gutgläubig und dachten, Geheimnisse, das sei doch etwas Böses. Geheimnisse hätten nur Verbrecher. Doch „Gesichtsbuch“ wurde immer raffinierter und hinterhältiger. Er spionierte die Menschen aus und sammelte alle Informationen über sie. Damit machte er riesige Geschäfte und fette Gewinne. „Gesichtsbuch“ war mächtig stolz darauf; das nannte er „American way of life“, und die Dollarzeichen in seinen Augen blinkten. Als „Gesichtsbuch“ schon fast jeden siebten Menschen auf der Erde bezirzt hatte und all die vielen Daten und Informationen heruntergeschlungen hatte, fing er an zu kränkeln. Seine Ärzte (sie nannten sich Finanzexperten) sagten, sein Aktienkurs sei dramatisch gefallen, Anleger hätten Milliarden verloren – darunter sogar gewiefte Schweizer Banker. Überall auf der Welt seien Datenschützer sauer.

Und dann gab es immer mehr Menschen, die sagten, der Krake lüge. Es ginge ihm nicht um Freundschaft, sondern nur ums Geld, dazu sei ihm jedes Mittel recht. Wilder Westen eben. Soweit das Märchen. Der Krake, um den es geht, ist der größte Datenkrake der Menschheitsgeschichte: Er heißt Facebook – und am 16. August läuft die Haltepflicht für Altaktionäre ab.

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