© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/12 10. August 2012

Zeitschriftenkritik: Eigentümlich frei
Dauerlächelnde Mutter der Nation
Werner Olles

Wer an führender Stelle an der Sozialdemokratisierung der Union mitgewirkt hat, der hat es wohl verdient, als Hauptperson des Schwerpunktthemas einer libertären Zeitschrift ausgewählt zu werden. Und so nimmt sich eigentümlich frei in ihrer aktuellen Ausgabe „Merkels Mädchen“ Ursula von der Leyen zur Brust. Nicht ohne eine gehörige Portion Sarkasmus beschreibt Henning Lindhoff, was die „dauerlächelnde Mutter der Nation“ in den letzten Wochen, Monaten und Jahren in den verschiedensten Funktionen anstellte. Und das war von der Umverteilung der von ihr liebevoll bezeichneten „Schleckerfrauen“ über die Frauenquote bis hin zur Kita- und Rentenpflicht für alle eine ganze Menge. Mit Verve trug sie ihre Anliegen, die man allerdings eher bei linken Gewerkschaftsfunktionären und ideologisch verbohrten Jusos vermutet hätte, in diversen öffentlich-rechtlich ausgestrahlten Quasselrunden vor, wo sie neben Polit-Rentner Heiner Geißler und TV-Liebling Gregor Gysi zum weiblichen Dauergast avancierte.

Der Autor beläßt es jedoch nicht bei der äußeren Beschreibung der ministeriellen Phrasendrescherin, vielmehr interessiert ihn die politische Karriere von der Leyens, die bis 1992 als Frauenärztin an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) tätig war. Lindhoff nennt die MHH den Schmelztiegel der legendären „Hannover-Clique“ rund um den umstrittenen Unternehmer Carsten Maschmeyer, den ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten und Ex-Kanzler Gerhard Schröder und Kurzzeit-Bundespräsident Christian Wulff. Zur „Hannover-Connection“ darf man dem Handelsblatt zufolge aber auch die örtlichen Hells Angels inklusive Rotlichtmilieu, die amtierenden SPD-Größen Gabriel und Steinmeier sowie die frühere Bischöfin und Weinkennerin Margot Käßmann zählen, die es immerhin fast bis zur Bundespräsidentenkandidatin geschafft hätte. Bühnenreife Dramen spielten sich in diesem Zusammenhang im Juni 2010 ab, als Wulff in „kleiner, privater Runde“ von der Leyen als Nachfolgerin Horst Köhlers vorschlug. Obwohl diese sich „hollywoodreif als ernsthafte Kandidatin der CDU inszenierte“ ging die Sache bekanntlich schief, und Wulff selbst bekam von Merkel höchstpersönlich den Zuschlag. „Hannovers Sumpf ist tief“ schreibt der Autor über diesen gelungenen Coup. Andererseits hatte die Kanzlerin mit ihrem „Mädchen“, das schon bald zum Star der unionseigenen Umverteilungsfraktion aufstieg, durchaus noch Größeres vor.

Aus den hannoveranischen politischen Niederungen führt ein Beitrag von Martin Johannes Grannenfeld über Leni Riefenstahl: „Leni und das blaue Licht“. Die Romantikerin Riefenstahl habe „die Idee der Romantik verraten“, als sie sich dem Tatmenschen Hitler anschloß, beschreibt der Autor seine Sicht auf die „Regisseurin des Führers“, über die man gewiß trefflich streiten kann. Weitere Beiträge beschäftigen sich unter anderem mit dem „politischen Schwulsein“, dem ESM-Vertrag und der Gerichtsposse um den Mord an Siegfried Buback.

Kontakt: Lichtschlag Medien und Werbung KG. Schanzenstr. 94, 40549 Düsseldorf. Das Einzelheft kostet 8,50 Euro, das Jahresabo 81 Euro.

www.ef-magazin.de

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen