© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/12 10. August 2012

Mit Essen spielen
Kino: „Entre les Bras“
Andreas Zöllner

Entre les Bras“ ist der Film eines glühenden Verehrers der erfindungsreichen Küche und dokumentiert den Generationswechsel in einem weltberühmten Feinschmeckerrestaurant. Dessen moderner Bau steht als gläserne Geschmacksfabrik auf einer Anhöhe inmitten der Landschaft des Aubrac im südwestlichen Zentralmassiv in Frankreich, der die Bras all ihre Zutaten entnehmen.

Regisseur Paul Lacoste drehte vor Jahren bereits einen knapp einstündigen Film über das Restaurant von Michel Bras. Der wurde nie zum Koch ausgebildet. Im Landgasthof der Großeltern ist er aus den Kinderschuhen in diese Profession hineingewachsen. Inzwischen hat sich sein Sohn Sébastien an der Seite des Vaters hochgedient, dem er nun nachfolgen soll.

In dieser Küche ist nichts schwerer als die Entscheidungen, die von den Geschmäckern getroffen werden. Das paradoxe Verhältnis von der Leichtigkeit der Häppchen und den Skrupeln ihrer Erzeuger wird auf einer Japanreise deutlich. Als der Vater die japonisierte Erfindung seines Sohnes gekostet hat, sagt er: „An dem Reiscracker mußt du noch hart arbeiten.“ Aber auch die Gäste stehen in einer schweren Verantwortung. Wenn sie die Erfindungen falsch verzehren, dann ist das Werk zerstört.

Völlig unentspannt wird hier auf das raffinierteste mit Kräutern und Soßen hantiert. Milchhaut spielt eine große Rolle. Der Löffelduktus der Gaben auf dem Teller gibt den Ausschlag: In welche Richtung weist der dicke Klecks und wohin zeigt der Schweif des rasch aufgezogenen Soßenminimums. Das kann richtig verbiestert, ja böse wirken. Appetit macht der Anblick dieser Art Gastro-Pornographie nicht. Die Worte eines alten Römers kommen in den Sinn, der sein Mißtrauen ausdrückte gegenüber Menschen, deren Gaumen empfindlicher ist als ihr Herz.

Aber das Selbstbewußtsein der Akteure und die Sehnsucht nach Exklusivität sind größer, als die Entzauberung durch die Filmkamera wirken kann. Außerdem werden erhabene Landschaftbilder dagegengesetzt. Am Schluß sind der Sohn im Morgengrauen, der Vater in der Abenddämmerung der heimischen Gefilde über ihre Gefühle zu vernehmen. Wohltuender ist es, die fundamentalistische Großmutter dabei zu beobachten, wie sie eine gewöhnliche Brotscheibe mit Milchhaut belegt und Schokolade darüberraspelt, entspannt und genußvoll.

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