© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/12 17. August 2012

Vorrang für Familie
Es gibt Wichtigeres als die Forderung nach einem Ehegattensplitting für gleichgeschlechtliche Paare
Jürgen Liminski

Es ist wieder Getöse angesagt. Themen über gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland erhalten immer sofort eine gewisse Resonanz, die der numerischen Bedeutung dieser Paare nicht angemessen ist. Es handelt sich um eine Randerscheinung der Gesellschaft. Der Familienforscher und Soziologe Stefan Fuchs hält fest: „Nur etwa ein Prozent der (mindestens drei Monate dauernden) Partnerschaften sind dem ‘Generations and Gender Survey 2005/06’ zufolge homosexuelle Beziehungen. Mit einem Partner gleichen Geschlechts im Haushalt leben nur 0,3 bis 0,5 Prozent der Erwachsenen. Lediglich etwa 15.000 dieser Lebensgemeinschaften sind durch die ‘eingetragene Lebenspartnerschaft’ institutionalisiert.“

Vielleicht hat sich diese Zahl mittlerweile verdoppelt, es wäre immer noch eine verschwindende Randerscheinung. Ganz anders die Ehe. Nach dem Mikrozensus leben acht von zehn Paaren in Ehe. Diese natürliche Lebensform betrifft die große Mehrheit der erwachsenen Bevölkerung.

Im politisch-medialen Establishment sieht es freilich anders aus. Dort ist die Randgruppe wie in vielen anderen Berufen mit öffentlicher Resonanz überrepräsentiert. Daher ja auch das Getöse. Viele Politiker folgen ihm und basteln ihre eigenen Gesetze, die mit dem Gemeinwohl nicht mehr viel zu tun haben. Aber es gibt da einen großen Unterschied zur Ehe. „Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat“, sagt Loriot, „dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen.“ Tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen – das geht mit dem Institut der Ehe nicht. Diese Union bleibt.

Bei der anderen, der politischen, wissen wir das nicht so genau. Anthropologische Wirklichkeiten lassen sich nicht so einfach entfernen. Man wird sehen, was zuerst entschwindet, das Institut der Ehe oder die Parteien, die mit prophetischem Eifer an der Nivellierung und Entfernung der Ehe arbeiten.

Die Frage ist leider auch eine Zukunftsfrage. Nach der rechtlichen Gleichstellung der Homo-Ehe mit der normalen, natürlichen Ehe wird das Adoptionsrecht für die Gleichgeschlechtlichen folgen. Auch das betrifft nur wenige Kinder heute, deutlich unter zehntausend, aber es sind schon die geborenen Kinder. Die ungeborenen, die künftigen, die erwachsen aus der normalen, natürlichen Ehe. Sie sichert den Bestand des Staatsvolkes, worauf eigentlich die Politik zu achten hätte. Aber die jetzige Koalition und insgesamt die etablierten Parteien sind zukunftsvergessen und üben sich im „Durchwursteln“, was der Grandseigneur der Politischen Wissenschaften, Wilhelm Hennis, schon in den siebziger Jahren Jahren konstatierte. Damals konnte man sich das vielleicht noch bis zu einem gewissen Grad leisten.

Das Problem heute allerdings ist: Dieses Land braucht angesichts der demographischen Schieflage dringend Kinder und eine Familienpolitik, die die berühmte Keimzelle der Gesellschaft fördert, statt sie weiter zu mißachten zugunsten von Lebensformen, die dem zeitgeistigen Hedonismus von Randgruppen frönen. Aber sobald sich einige wenige Politiker aufraffen und der Familie Gerechtigkeit widerfahren lassen wollen – Stichwort Betreuungsgeld – , springen dieselben Gruppen, die jetzt dem Ehegattensplitting für Homo-Ehen das Wort reden, mit rattenhafter Wut auf die öffentliche Bühne, um jede Zuwendung für Familien zu verhindern.

In der aktuellen Debatte um Ehe und Familie geht es aber nicht nur um finanzielle Zuwendungen. Die Verfechter der Gleichstellung verfolgen auch andere Ziele. Sie haben ein anderes Menschenbild und wollen dieses der Allgemeinheit aufzwingen. Hier geht  es ums Eingemachte. Hier dürfen und sollten die Kirchen auch Gehör beanspruchen. Denn nach ihrem anthropologischen Verständnis ist die Ehe keine rein menschliche Institution, sondern „Gott selbst ist Urheber der Ehe“ (Gaudium et Spes, 48,1), und in allen Kulturen besteht ein gewisser Sinn für die Größe und Würde der ehelichen Vereinigung (GS 47,1).

Die Ehe zwischen Mann und Frau mit der homosexuellen Partnerschaft gleichzusetzen widerspricht diesem Verständnis. Die klaren Worte des Familienbischofs Tebartz-van Elst waren in diesem Sinn notwendig. Die natürliche und christliche Ehe ist zukunftsbildend für diese Gesellschaft, ihr gebührt im Sinne des Gemeinwohls ein besonderer Schutz. Das kann man von der Randerscheinung Homo-Ehe nicht sagen.

So zeigt diese Debatte einmal mehr, wie sehr die Gesellschaft insgesamt auf der schiefen Ebene ins Rutschen kommt, wenn das Recht im Sinn kleiner Gruppen gebraucht wird. Auch vom Bundesverfassungsgericht darf man sich da nichts mehr im Sinn der traditionellen Familie erwarten. Die Parteien haben bei der Zusammensetzung der zwei Senate auch darauf geachtet, daß die Randgruppen berücksichtigt werden.

Statt das Ehegattensplitting zu einem Familiensplitting auszuweiten und es den Familien leichter zu machen, Kinder zu bekommen und zu erziehen, so machen es die Franzosen seit Jahren und mit Erfolg, beschenkt man seine Klientel und setzt auf den Staat. Natürlich wäre ein Familiensplitting weitaus „teurer“, weshalb der Finanzminister sich vermutlich schon gegen die Ausweitung des Ehegattensplittings wendet.

Aber was heißt schon teuer in Zeiten der Euro-Rettung. Solange man Ausgaben für Kinder nur als Kostenfaktor und nicht als Investition in die Zukunft sieht, solange wird es mit dem Durchwursteln und der Bedienung für Banker, Randgruppen und andere Freunde weitergehen. Bis die Wurst am Ende oder die eine oder andere Partei samt ihren Plakaten entfernt ist.

 

Jürgen Liminski ist Geschäftsführer des Instituts für Demographie, Allgemeinwohl und Familie. www.i-daf.org

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