© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/12 17. August 2012

Ägyptens Präsident wechselt Militärspitze aus
Machtspiele am Nil
Günther Deschner

Für die Öffentlichkeit überraschend hat Ägyptens Präsident Mursi am Sonntag seine Macht konsolidiert und die starken Männer des bis dahin regierenden Militärrates, Feldmarschall Tantawi, in Personalunion auch Verteidigungsminister und Chef des Industriesektors der Armee, sowie den Generalstabschef und weitere hohe Militärs in den Ruhestand geschickt. Ersetzt wurden beide durch jüngere Generäle, die bereits dem Militärrat angehörten.

Was der gelungene Überraschungscoup des schwerfällig wirkenden Bauernsohns, Ingenieurs und Islamisten Mursi, der bis zu seiner Wahl Spitzenfunktionär der Muslimbrüder war, für das Machtgefüge Ägyptens letztendlich bedeuten wird, ist noch nicht deutlich: Ist er nun schon mächtiger als das Militär und nutzt seine Macht, um Ägyptens politisches System entsprechend umzubauen? Oder kann das alles, wie der amerikanische Geopolitiker George Friedman meint, Teil eines politischen Kompromisses zwischen dem Militär und der Anhängerschaft der Muslimbrüder sein, eine Art „Cohabitation“, die die reale Macht beim Militärrat läßt und das „öffentliche Leben“ der Parlamentsmehrheit der islamischen Parteien öffnet? Mit seinem Coup hat sich der ägyptische Präsident jedenfalls als überraschend wendig und entschlossen erwiesen – als ein Vollblutpolitiker, der einen Blick für „Situationen“ hat und sie entschlossen zu nutzen versteht.

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