© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/12 17. August 2012

Mehr Geld soll es richten
Demographie: Die CDU in Sachsen-Anhalt hat ein Familienkonzept vorgestellt, das Anleihen bei der Nachwuchspolitik der DDR nimmt
Lion Edler

Sachsen-Anhalt macht die demographische Auszehrung Deutschlands zu schaffen: In den nächsten 15 Jahren wird das Land mit einer Geburtenrate von 1,4 voraussichtlich gut 400.000 Einwohner verlieren. Als Folge wird die derzeitige Müttergeneration nur noch zu 57 Prozent durch die Tochtergeneration ersetzt werden – die Bevölkerung wäre praktisch halbiert. Die CDU-Fraktion im Magdeburger Landtag legte daher nun ein familienpolitisches Konzept mit dem Titel „Mehr Lust auf Familie!“ vor. Für Aufsehen sorgte dabei der Vorschlag eines Darlehens für Ehepaare, das wie zu DDR-Zeiten „abgekindert“ werden kann.

Der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, André Schröder, äußerte zu dem Konzept einige Sätze, die für sich genommen Sprengkraft besitzen und die bisherige Familienpolitik grundsätzlich hinterfragen: „Im Vergleich zu 1960“, so Schröder, „wendet der deutsche Staat heute fast doppelt soviel Geld für Familien auf.“ Dennoch habe sich die Geburtenrate seit damals halbiert. Daher müsse die CDU-Familienpolitik „die Zielgenauigkeit ihrer Politik hinterfragen“. Um so mehr überrascht es jedoch, daß sich als Summe der Phantasie der Verfasser vor allem ein familienpolitischer Kerngedanke wie ein roter Faden durch das Programm zieht: Mehr Geld soll es richten.

So etwa ein einkommensunabhän-giges, zinsloses Darlehen für frischverheiratete Paare in Höhe von 5.000 Euro. Für jedes in der Ehe geborene Kind soll dann ein Drittel der Tilgungssumme erlassen werden. Nach drei Kindern wäre die Familie also wieder schuldenfrei. „Abgekindert“, hieß das in der DDR. Die Rückzahlung des Darlehens mit einer Laufzeit von zehn Jahren wird jedoch sofort fällig, wenn das Paar sich scheidet oder das Land Sachsen-Anhalt verläßt. Hierbei sollen beide Partner gesamtschuldnerisch für die Rückzahlung haften. Gefördert werden soll nur die Erstehe, und nach dem 35. Lebensjahr soll es keine Förderung mehr geben. Daß nicht zugleich auch Unverheiratete gefördert werden, begründet die CDU damit, daß für sie familienpolitisch die Ehe das Leitbild sei, „weil sie sich bis heute auf der Grundlage unserer christlichen Werte und kulturellen Prägungen als stabilste Lebensgemeinschaft erweist“.

Die Kritik der Opposition ließ daher nicht auf sich warten. Nach Meinung der Linken-Familienpolitikerin Monika Hohmann „verkennt die CDU die Lebenswirklichkeit in Sachsen-Anhalt“, da jedes zweite Kind entsprechend dem bundesweiten Trend außerhalb der Ehe geboren werde. Sie kritisierte zudem, daß Paare mit späterer Familiengründung nach dem 35. Lebensjahr nicht berücksichtigt würden. Auch vom Koalitionspartner kam Kritik: Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) erklärte, es habe ihn „amüsiert, daß die CDU auf ein Programm aus der DDR zurückgreift“.

Auch bei anderen Punkten des Programms macht die CDU Anleihen bei der DDR. „Trotz angespannter öffentlicher Haushalte“, heißt es im Papier, soll ein Rechtsanspruch für alle Kinder auf „ganztägige Bildung und Betreuung“ eingeführt werden. Bei medizinisch unfruchtbaren Eltern sollen künstliche Befruchtungen nach den Wünschen der CDU „nicht am Geldbeutel der Eltern scheitern“.

Im Abschnitt mit der Überschrift „Familienbildung“ wird versichert, die CDU wolle Beratungsstellen für Familienbildung „optimieren“. Partnerschaft und die Bewältigung des Familienalltags verlangen „spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten“, heißt es in dem Papier.

Wer Kinder erzieht, soll zudem bei der Rentenversorgung bessergestellt werden und außerdem steuerlich gefördert werden: Die Partei tritt für die Ausweitung des „Ehegattensplittings“ zum „Familiensplitting“ ein, welches neben den Ehepartnern auch die Kinder steuerlich begünstigt. Darüber hinaus verlangt man eine „deutlich“ sinkende Einkommenssteuerlast für Familien und einen „bevorzugten“ Zugang zu Wohn- und Grundeigentum für Familien, was durch ein „Baukindergeld“ geschehen soll. Weiterhin fordert die Magdeburger CDU mehr familienfreundliche Ermäßigungen in Kultur- und Freizeitangeboten.

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