© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/12 17. August 2012

Rückzugsgefechte
Homo-Ehe: Die vollständige Gleichstellung mit der Ehe ist nur eine Frage der Zeit
Michael Martin

Es war ein Lieblingskind der rot-grünen Bundesregierung. Mehr als zehn Jahre sind vergangen, seit SPD und Grüne im Bundestag das sogenannte Lebenspartnerschaftsgesetz beschlossen. Das als „Home-Ehe“ bekannt gewordenen Konstrukt erhitzt seitdem die Gemüter. Dabei ist die Resonanz selbst eher gering. Derzeit gibt es rund 60.000 „Verpartnerungen“ in der Bundesrepublik. Doch das parlamentarische Sommerloch hat die Debatte nun neu befeuert.

Noch vor der Pause hatte der Bundestag mit den Stimmen der schwarz-gelben Regierungsmehrheit einen Antrag der Fraktionen der Grünen und der Linken abgelehnt, die im Grundgesetz verankerte Ehe auch für homosexuelle Paare zu öffnen. Doch nun haben sich erstmals 13 Unions-Abgeordnete dafür ausgesprochen, gleichgeschlechtliche Partnerschaften der Ehe gleichzustellen. Sie verweisen auf eine veränderte gesellschaftliche Reaktion sowie zu erwartende Urteile des Bundesverfassungsgerichts. In den vergangenen Wochen hatten die Karlsruher Richter in zwei Entscheidungen die „Homo-Ehe“ gestärkt. Experten gehen davon aus, daß das Verfassungsgericht weitere noch bestehende rechtliche Ungleichbehandlungen beider Partnerschaftsformen kippen wird. Im kommenden Jahr wird ein Urteil zum Ehegattensplitting für Lebenspartner erwartet.

Während man in Berlin noch debattiert, wie weit die Gleichstellung der Homo-Ehe gehen soll, geben die Juristen die Richtung vor. Schon 2009 verwarf das Gericht die Ungleichbehandlung im Hinterbliebenenrecht als verfassungswidrig. 2010 erzwang das Verfassungsgericht schließlich eine Gleichbehandlung im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht. Vor zwei Wochen veröffentlichte der Zweite Senat unter Vorsitz des Gerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle dann die Entscheidung, daß der Familienzuschlag für Beamte auch rückwirkend eingetragenen Lebenspartnern gezahlt werden muß. In der vergangenen Woche folgte der Erste Senats unter Vorsitz des Vizepräsidenten Ferdinand Kirchhof, wonach auch bei der Grunderwerbsteuer Lebenspartner wie Eheleute zu behandeln sind.

Die CSU-Bundestagsabgeordnete Dagmar Wöhrl findet diesen Zustand mittlerweile unhaltbar. „Es kann nicht sein, daß Karlsruhe immer wieder vorgeben muß, was die Politik zu entscheiden hat. Das Bundesverfassungsgericht hat gerade feststellt, daß der besondere Schutz der Ehe in Artikel sechs des Grundgesetzes nicht eine Ungleichbehandlung der Lebenspartnerschaften rechtfertigt. Ich messe diesem Urteil Grundsatzwirkung bei“, sagte sie gegenüber der Welt. Wöhrl ist bisher die einzige CSU-Parlamentarierin, die sich öffentlich für eine Gleichstellung ausgesprochen hat. Die Lesben und Schwulen in der Union (LSU) forderten daher von den Verantwortlichen in CDU und CSU Bewegung. Die Union müsse sich „einen Ruck geben und im 21. Jahrhundert ankommen“, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende Thomas Steins der Nachrichtenagentur dapd.

Doch das Thema hat Potential, ordentlich Zwietracht in die Koalition zu bringen. Der Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer sah sich daher gezwungen, ein Machtwort zu sprechen: „Wir alle kennen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und auch die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag“, sagte er. Die sei „unser Kompaß für konstruktive Diskussionen nach der Sommerpause in der Fraktion und im Parlament. Ich rate allen, diese abzuwarten.“ Doch Gegner und Befürworter bringen sich in Stellung. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, widersprach seiner Parteifreundin Wöhrl sehr deutlich und lehnte Änderungen im Steuerrecht hingegen strikt ab. „Ehe und Familie genießen durch das Grundgesetz besonderen Schutz. Sie sind im Kern mehr als es eine Lebenspartnerschaft je sein kann. Deshalb sollte an der Privilegierung nicht gerüttelt werden“, sagte er der Rheinischen Post.

Prominentester Gegner der Gleichstellung ist Norbert Geis. Der CSU-Abgeordnete bekräftigte sein Veto. „Wenn schon eine Ausweitung des Splittings stattfindet, müssen auch andere Lebensformen in Blick genommen werden: Wenn argumentiert wird, daß Menschen füreinander einstehen, dann hat auch eine Tochter, die ihre Mutter pflegt, ein Anrecht auf das Splitting. Das ist auch eine Art Lebensgemeinschaft“, sagte er der Welt. Am Montag schaltete sich dann schließlich die aus dem Urlaub zurückgekehrte Bundeskanzlerin in die Debatte ein. Zwar sei im Koalitionsvertrag vereinbart worden, steuerliche Benachteiligungen für eingetragene Lebenspartnerschaften abzubauen, ließ sie über Regierungssprecher Steffen Seibert mitteilen. Da das Ehegattensplitting jedoch eine Besonderheit sei, sei es sinnvoll, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes abzuwarten.

Die Opposition verfolgt das Gezeter innerhalb der Regierung mit Wohlgefallen. Sie bietet der Union gönnerhaft „Einigungsgespräche“ an: „Ich halte es für konsequent, nun einen fraktionsübergreifenden Antrag vorzulegen, der mit der Ungleichbehandlung ein für allemal Schluß macht“, sagte der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs der Süddeutschen Zeitung. Ganz begeistert sind jedenfalls die Grünen und sichern der „Wilden 13“ in der Union schon mal Unterstützung zu. Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Volker Beck stellt unterdessen weitere Forderungen. „Es darf nicht bei der steuerlichen Gleichstellung bleiben. Es gibt eine Liste von fast 100 gesetzlichen Bestimmungen, durch die gleichgeschlechtliche Partnerschaften benachteiligt werden.“ Das fange bei Betriebsübergaben nach dem Tod eines Partners an „und hört beim Adoptionsrecht auf“.

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