© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/12 17. August 2012

Ein Kaiser namens Merkel
Italien: Mit antideutschen Kampagnen versucht das krisengeschüttelte Land von den eigenen Verfehlungen abzulenken
Paola Bernardi

Italien stöhnt: Nicht nur aufgrund der biblischen Hitze, die seit Wochen anhält, sondern wegen des rigiden fiskalischen Drucks, den die Technokratenregierung unter Ministerpräsident Mario Monti dem Land auferlegt hat.

 Während die Kürzungen und der Personalabbau bei staatlichen Unternehmen erst jetzt in Angriff genommen werden und die Parlamentarier und Parteien noch über eine Verminderung der Bezüge diskutieren, tragen die italienischen Bürger bereits seit Januar 2012 die volle Steuerlast, die jetzt 55 Prozent beträgt und damit die höchste in Europa ist.

 Doch genützt haben all diese Maßnahmen bisher nichts, denn der Zinsunterschied zwischen italienischen und deutschen Staatsanleihen steigt und steigt. Italiens Ministerpräsident Mario Monti hat sich bisher nicht als der Heilsbringer erwiesen, als der er von allen in der EU-Runde begrüßt wurde.In dieser schwierigen Situation wurde schnell ein Sündenbock gefunden, und der heißt Deutschland in der Gestalt von Angela Merkel.

Es knirscht heftig im Verhältnis zwischen Italien und Deutschland. An dieser aggressiven antideutschen Stimmung, die derzeit in Italien herrscht, hat auch Ministerpräsident Monti seinen gehörigen Anteil. Als er Ende Juni auf dem EU-Gipfel in Brüssel sofort von der deutschen Kanzlerin auf die Seite des französischen Sozialisten François Hollande wechselte, erweckte er auch den Eindruck, daß es nur an Deutschland läge, die Probleme Italiens zu lösen.

Seitdem las man täglich in den italienischen Zeitungen Vorwürfe gegen die strenge Haltung Deutschlands im Zusammenhang mit der Euro-Krise. Vom deutschen „Drang zur Bestrafung“ der anderen Länder war immer wieder die Rede oder von „Grande Germania“, oder „Deutschland wolle die Verbeugung der Mittelmeerländer“.

Mit der Flut der täglichen Schreckensnachrichten aus der italienischen Wirtschaft hat sich nun auch der Ton gegenüber Deutschland verschärft. Den vorläufigen Tiefpunkt dieser Kampagne bildete die Schlagzeile „Viertes Reich“ auf der Titelseite des Giornale, der sich im Besitz von Silvio Berlusconis Bruder Paolo befindet.

„Jetzt kehren sie zurück, nicht mehr mit Kanonen, sondern mit dem Euro. Die Deutschen sehen es als ihre Sache an, wir müssen alles hinnehmen, uns dem neuen Kaiser namens Angela Merkel unterwerfen, die nun auch bei uns zu Hause kommandieren will.“ Schlimm sei, daß Italien nicht reagiere, so wie die Alliierten Mächte 1938 gegenüber Hitler, schreibt Chefredakteur Alessandro Sallusti.

Auch das Gespräch des italienischen Ministerpräsidenten Monti mit dem Spiegel, in dem er die Bedeutung der Parlamente herunterspielte, hat das rechtskonservative Blatt Libero bewogen, wiederum eine schwere Tirade gegen Deutschland zu starten: „Die Nazideutschen wollen uns Lektionen in Demokratie geben“.

Doch in den Reihen der Kritiker sind nicht nur die rechtskonservativen Berlusconi-Blätter zu finden, sondern auch die wichtigste italienische Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore. Das Blatt übt heftige Kritik am Verhalten Merkels. So heißt es unter anderem: „Zwischen Merkel, die mit ihrem Warten die Kosten der Krise in die Höhe getrieben hat, und dem katastrophalsten aller griechischen Ministerpräsidenten, Giorgos Papandreou, gibt es keinen Unterschied.“

In den Chor der Kritiker gesellen sich auch italienische Politiker, die gegen Deutschland zu Felde ziehen und suggerieren, daß sich Italiens wirtschaftliche Probleme schnell lösen würden, wenn Angela Merkel nur die gewünschten Garantien abgeben würde und die Europäische Zentralbank gewähren ließe. „Deutschland ist verstockt und wird dafür bestraft werden“, so lautet das Urteil von Maurizio Gasparri, Fraktionschef der PDL im Senat.

Auch der im November 2011 zurückgetretene Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat sich mehrfach zur Führungsrolle der Deutschen geäußert. Angela Merkels Sparpolitik kritisierte er jüngst als „übertrieben“ und sprach sogar von einem möglichen Austritt Italiens aus der Europäischen Währungsunion.

Foto: „Viertes Reich“: Il Giornale setzt auf historische Vergleiche

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