© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/12 17. August 2012

Organspende? Nein, danke!
Mein Herz gehört mir
Georg Meinecke

Die Organtransplantation setzt in Deutschland die Einwilligung verstorbener Patienten oder ihrer nächsten Angehörigen voraus, die dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen entsprechen sollte. Die sogenannte erweiterte Zustimmungsregelung war im Dezember 1997 durch das Transplantationsgesetz in Kraft getreten.

Die auf diese gesetzliche Grundlage gestützte Praxis deckte die immer größer gewordene Kluft zwischen von Schulmedizinern diagnostiziertem Bedarf und Angebot nicht. Denn die fehlende Einwilligung durch den Spender galt mit Abstand als häufigster Grund für den Verlust einer Organspende, sind es doch gegenwärtig nur sechs Prozent der Spender, die vor ihrem Tode in die Organentnahme eingewilligt haben. In 94 Prozent der Fälle gelang es den Ärzten, die Einwilligung der Angehörigen nach dem Tode zu erlangen. Eine nicht einfache Angelegenheit!

Der Bundestag beschloß im Mai 2012 die sogenannte Entscheidungslösung. Bei dieser soll jeder Bürger – regelmäßig befragt – einmal in seinem Leben entscheiden, ob er nach seinem Tode Organspender sein möchte oder nicht. Die Erklärung soll behördlicherseits registriert werden, zum Beispiel auf der neuen elektronischen EU-Gesundheitskarte.  Auf diese Weise hofft man, die Zahl der Spender wesentlich zu erhöhen, die vor ihrem Tode in die Organentnahme einwilligen und die Zahl der Angehörigen zu verringern, die sonst befragt werden müßten.

Abgelehnt wurde vom Deutschen Bundestag die sogenannte Widerspruchsregelung. Nach dieser dürfen Organe nach dem Tod des Patienten entnommen werden – auch gegen den Willen der Angehörigen –, wenn dieser nicht vorher zu Lebzeiten ausdrücklich widersprochen und der Widerspruch in einem dafür vorgesehenen Widerspruchsregister festgehalten ist. Die Regelung gilt in den meisten europäischen Ländern, die bislang in Deutschland gültige Zustimmungsregelung dagegen nur in sechs Staaten in Europa.

So können auch deutschen Touristen, deren Widerspruch nicht in einem dafür vorgesehenen Widerspruchsregister des jeweiligen Landes festgehalten ist, nach deren Tod Organe jeder Art und in jedem Umfange zu Transplantationszwecken entnommen werden, wenn sie im Urlaub sterben: in Frankreich, Ita­lien, Lettland, Liechtenstein, Luxemburg, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, der Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn und Zypern. Welcher Tourist läßt seinen Widerspruch vor einer Reise in das betreffende Land in dem dort gültigen Widerspruchsregister eintragen? Nur in Belgien, Finnland und Norwegen haben jedenfalls die Angehörigen noch ein Einspruchsrecht.

Hat der Gesetzgeber in Deutschland angenommen, daß sich die Kluft zwischen Organspendern und Empfängern durch die neue Regelung verkleinern werde, so dürfte dies ein Irrtum sein. Denn so wie die Dinge liegen – an Organverpflanzungen wird durch Ärzte und Pharmazie erheblich Geld verdient –, wird mit der Zahl der Organspender auch die Transplantationsempfehlung der Ärzte als „Therapie“ der Wahl zunehmen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an eine Studie der Hamburger Universitätsklinik, wonach in Deutschland die Therapie der Herztransplantation in zwei Dritteln der Fälle vorschnell angeboten wird.

Jeder, der sich zur Organspende bereit erklärt hat, muß wissen, daß nach seinem „Tode“ nur lebendfrische Organe entnommen und transplantiert werden können, nicht leblose Organe einer Leiche. Als transplantierbare Organe gelten: Lunge, Herz, Nieren, Leber, Bauchspeicheldrüse und Dünndarm. In Einzelfällen wurden Körperteile wie Gesicht, Hände, Arme, Luftröhre, Kehlkopf, Zunge und Penis entnommen. Zu den transplantierbaren Geweben gehören Haut, Knochen und Knochenteile, Herzklappen, Herzbeutel, Augen, Blutgefäße, Knorpelgewebe, Sehnen und Bänder.

Nachdem der südafrikanische Chirurg Christiaan Barnard in Dezember 1967 das erste Herz transplantiert hatte, folgten US-Mediziner seinem Vorbild. Weil bald Staatsanwaltschaften wegen vorsätzlicher Tötung gegen die Transplantationschirurgen ermittelten, definierte die Ad-hoc-Kommission der Havard-Universität 1968 den Tod des Menschen neu. Sie prognostizierte bereits das irreversible Koma als Tod. Die Kommission hob die seit Jahrtausenden geltende Erkenntnis auf, wonach ein Mensch erst dann tot ist, wenn sein Herz und die Atmung, also der gesamte Kreislauf zum Stillstand gekommen sind, Geist und Seele den Körper endgültig verlassen hatten – mit der irreversiblen Folge, daß der Körper des Verstorbenen erkaltet, Totenflecken auftreten, die Leichenstarre einsetzt und der Verwesungsprozeß beginnt.

Seit die Schulmedizin die Organtransplantation in ihr Programm aufgenommen hat, ist der Todeszeitpunkt juristisch immer weiter zeitlich vorverlegt worden, um dem „Toten“ – in Wirklichkeit einem Sterbenden – lebendfrische Organe entnehmen zu können. Denn nach dem deutschen Transplantationsgesetz dürfen lebenswichtige Organe nur von Toten entnommen werden. Im Interesse der Organtransplantation hat sich die Definition des „Hirntodes“ als Todeszeitpunkt des Menschen nahezu weltweit durchgesetzt. Behilflich wurde auch die Bundesärztekammer. Sie konstatierte, daß mit dem „Hirntod“ angeblich naturwissenschaftlich-medizinisch der Tod des Menschen festgestellt sei. Diese Sicht wurde von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und der Deutschen Stiftung Organtransplantation übernommen, die sich mit ihren Informationen für die Organspende einsetzen.

An der Feststellung der Bundesärztekammer, daß mit dem „Hirntod“ naturwissenschaftlich-medizinisch der Tod des Menschen angeblich festgestellt sei, ändert die Tatsache nichts, daß es sich bei dem Patienten zu diesem Zeitpunkt um einen „lebenden Leichnam“ handelt, dessen Herz noch schlägt, den gesamten Kreislauf aufrechterhält, der voll durchblutete Körper seine normale warme Temperatur hat, der Stoffwechsel stattfindet. Auch das funktionsunfähige Gehirn ist noch durchblutet, keineswegs wie bei einem Toten erkaltet, geschweige denn in einen Verwesungsprozeß übergegangen.

Bis zur Feststellung des „Gehirntodes“ durch Ärzte – juristisch der Tod des Patienten – wurde dieser noch als Komapatient in jeder Weise vom Pflegepersonal behandelt. Er wurde ernährt, gewaschen und in jeder notwendigen Weise gepflegt. Männliche „Gehirntote“ sind sogar noch einer Erektion fähig. Weibliche schwangere „Gehirntote“ lassen in ihrem Körper einen Embryo weiter wachsen und reifen bis zu seiner Geburt aus dem Körper eines „lebenden Leichnams“. Wunden können noch ausgeheilt werden.

Zahlreiche Narkoseärzte vertreten den Standpunkt, Reaktionen der Organspender bei der Organentnahme zeigten, daß bei diesen Schmerzempfindungen nicht auszuschließen seien. Hirntote Spender müßten daher vor der Organentnahme anästhesiert werden. Sie selbst würden sich als Spender nicht mehr zur Verfügung stellen. Gehirnforscher und Neurologen stellten fest, daß die Gleichsetzung von Hirntod und Tod aus physiologischer Sicht unhaltbar sei, ebenso wie die Gleichsetzung hirntoter Patienten mit Leichen. So stellte auch dar Bioethikrat des US-Präsidenten 2008 eindeutig klar: „Der Hirntod ist naturwissenschaftlich nicht dem Tod gleichzusetzen.“

Ärzte, die die Hirntod-Diagnose stellen, bereiten dem Patienten zuvor einen schmerzhaften Prozeß. Der Eingriff dient in der Regel der Organbeschaffung für einen Fremden, nicht dem Wohle des Patienten. Die klinische Untersuchung und Testverfahren sind selbst mit tödlichen Risiken für den Patienten verbunden. Über belastende Untersuchungen, mögliche Gefahren und Fehleinschätzungen bei der Hirntod-Diagnostik wird der spendenwillige Bürger jedoch derzeit nicht aufgeklärt. Unbekannt bleibt, wie häufig Fehldiagnosen eines Gehirntodes gestellt werden.  Allerdings wurden einige Fällen in medizinischen Fachzeitschriften publiziert: „Deren Ursachen waren Pestizidvergiftung, eine Baclofen-Überdosis (Wirkstoff zur Muskelentspannung) beziehungsweise ein fulminantes Guillain-Barré-Syndrom (neurologische Erkrankung mit vollständiger Lähmung)“, schrieb Sabine Müller, Hirnforscherin an der Berliner Charité, 2011 in einem Aufsatz. In diesen Fällen hatten die Ärzte die lebenserhaltenden Maßnahmen fortgesetzt, obwohl die klinische Diagnostik für den Hirntod sprach.

Vor der Organentnahme auf dem Operationstisch erhalten diese „Toten“ häufig muskelentspannende und schmerzstillende Medikamente, hier und da erhalten sie auch eine Vollnarkose. Letztere ist in der Schweiz für diese Fälle zwingend vorgeschrieben. Das scheut man in Deutschland, weil es jedem Laien offenbaren würde, daß der „tote“ Organspender in Wirklichkeit noch gar nicht tot ist. Nicht selten schnallt man die „toten“ Organspender auf dem Operationstisch fest, um irritierende oder gar abwehrende Bewegungen gegen den Chirurgen zu verhindern. Wie bei einem operierten lebenden Patienten reagiert der „Hirntote“ wie dieser auf unbewußte Schmerzen. Die Pulsfrequenz schnellt nach oben, der Blutdruck bewegt sich, Hormone werden ausgeschüttet. Ein wirklich Toter ist zu solchen Reaktionen nicht mehr fähig.

Zu Zwecken der Organentnahme wird der auf dem Operationstisch liegende Körper des „Hirntoten“ von der Kehle bis zum Schambein aufgeschnitten. Nachdem in den dadurch aufgeklappten Körper Eiswasser gegossen worden ist, werden die lebenden Organe herausgeschnitten, wie zum Beispiel die Nieren, die Leber, die Lungenflügel, die Augen und zuletzt das noch schlagende Herz. Danach tritt der eigentliche, endgültige Tod der ausgenommenen körperlichen Hülle des Patienten ein, jedoch keineswegs der der lebendig entnommenen Organe, die in anderen Menschen weiterleben sollen. Der Spender ist zum Recycling-Gut für  fremde Menschen geworden, die durch seine Spende gerettet werden sollen.

Darüber, wie viele Organtransplantationen mißlingen, wird zumindest in der Öffentlichkeit nicht gesprochen. Der Empfänger erhofft sich die Verlängerung seines Lebens mit dem fremden Organ. Am eigenen Körper muß er jedoch erfahren, was es bedeutet, für den Rest seines Lebens in die Abhängigkeit von Ärzten zu geraten. Hohe Kortisongaben und andere teure Medikamente müssen ihm verabreicht werden, um die Abstoßungsreaktionen des fremden Organs zu mindern. Das setzt die eigene Immunkraft herab, hebt sie letztlich auf. Bakterien, Viren und Pilze haben freien Eingang in den ungeschützten Körper des Empfängers und können sich dort ungehindert vermehren. Dieser oder jener Organempfänger stirbt qualvoll an Infektionen, gegen die sein Körper sich nicht mehr wehren kann. Der Preis, den der Organempfänger durch die gewonnene Verlängerung des Lebens seines irdischen Körpers zahlt, ist hoch.

 

Dr. Georg Meinecke, Jahrgang 1926, ist Gründer und Seniorpartner der Rechtsanwaltssozietät Meinecke & Meinecke in Köln, die sich auf Medizinrecht spezialisiert hat. Er hat mehrere Sachbücher zu Gesundheitsthemen verfaßt.

Georg Meinecke: Organspende: Ja oder Nein. Eine Entscheidungshilfe. Die verheimlichte Wahrheit, Books on Demand, Norderstedt 2012, broschiert, 76 Seiten, 12 Euro. Der Autor deckt auf, was die Transplantationsmediziner gerne verschweigen.

Foto: Das Geschäft mit der Organspende: Skrupellose Vertreter der  Transplantationsmedizin und die Pharmaindustrie profitieren, wenn menschliche Innereien über die Theke gehen

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