© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/12 17. August 2012

Der Kreuzzügler
Eine Biographie des US-Politikers und Publizisten Patrick Buchanan
Ronald Gläser

Als wenn es noch einen Beweises bedurft hätte, daß es einen Kulturkampf der Linken gegen das gottesehrfürchtige, bodenständige Amerika wirklich gibt, so wurde er nun von Barack Obama erbracht. Die Regierung zwingt der katholischen Kirche ab 2013 ihren Willen auf. Auch ihre Einrichtungen müssen Abtreibung und Verhütungsmittel demnächst bezahlen, wenn sie Krankenversicherungen für ihre Mitarbeiter abschließen. Rom ist empört, kann aber nichts machen.

Zwanzig Jahre ist es her, daß Pat Buchanan diesen Kulturkampf vorausgesagt hat. Den Kampf, den die Konservativen verlieren, und für den Buchanan selbst die Symbolfigur schlechthin ist. Sein Haus in Virginia sei ein „Museum für verlorengegangene Schlachten“, schreibt Timothy Stanley in seiner Buchanan-Biographie.

Buchanans Karriere begann als Berater und Redenschreiber von Nixon. Daß er nicht im Zuge der Watergate-Affäre Amt und Würden verlor, verdankte Buchanan der Tatsache, daß er sich 1972 mit seinem Chef überworfen hatte. Nixon hatte um des lieben Friedens in Vietnam willen einen Ausgleich mit China gesucht. Der Antikommunist Buchanan wollte dem Pragmatiker Nixon nicht folgen. Nur widerwillig fuhr er mit nach Peking.

Auch in der Reagan-Administration war Buchanan ein konservativer Außenseiter, der eher geduldet als geliebt wurde. Wegen seiner Ansichten wohlgemerkt. Alle, die Buchanan kennen, auch ausgemachte Linke, reden über ihn persönlich nur in den höchsten Tönen. Als er nach der Präsidentschaftswahl 2008 zu MSNBC ging, wollten die linken Praktikanten erst nicht mit ihm zusammenarbeiten, schreibt Stanley. Nach ein paar Wochen hätten sie ihn am liebsten als Vater adoptiert.

Es gibt bereits eine Autobiographie Buchanans. „Right from the Beginning“ hat er 1988 nach seinem Ausscheiden aus dem Weißen Haus verfaßt. Es ist ein großartiges Stück amerikanischer Gegenwartsliteratur und gibt Einblick in das Leben eines konservativen Katholiken, der in Washington groß wurde und für zwei Präsidenten gearbeitet hat. Nach dem Buch unternahm Buchanan dann drei Anläufe, um selbst Präsident zu werden. Insofern war der interessantere Teil seines Lebens noch zu erzählen. Das ist Stanley nun hervorragend gelungen.

Er nimmt den Leser mit in die Wahlkämpfe der Jahre 1992, 1996 und 2000 und erklärt, warum sich Buchanan immer weiter von seiner Partei, den Republikanern, entfernt hat. Im Grunde begann diese Entfremdung am 9. November 1989. Für Buchanan war klar, daß die USA jetzt „ihre Jungs“ nach Hause holen und ihre Aktivitäten, die dem Kalten Krieg geschuldet waren, einstellen müssen.

Dies wäre die historisch und moralisch richtige Entscheidung gewesen. Aber wo gibt es in der Politik schon Moral? Stattdessen begannen die Amerikaner, egal ob von Republikanern oder Demokraten regiert, ihr globales Imperium zu errichten, inklusive dreier Kriege in Asien (zweimal Irak und Afghanistan).

Buchanan, der jahrelang als Kommentator und Talkshow-Gastgeber unter anderem bei CNN tätig war, hat diese imperialistische Außenpolitik immer abgelehnt und sich dafür mit dem Establishment angelegt. Es werden mehrere Biographien von Weggefährten geschildert, die diese neue, mit Inbrunst vertretene Linie nicht so leicht weggesteckt haben. Journalisten, die so denken wie Buchanan, sind in den Schlüsselpositionen der amerikanischen Medien heute nicht mehr zu finden. Zuletzt hat es nun auch Buchanan selbst erwischt: Nach der Veröffentlichung seines letzten Bestsellers „Suicide of a Superpower“ wurde er von MSNBC gefeuert, weil seinen Vorgesetzten seine Äußerungen zum Thema Rasse nicht in den Kram paßten. Parallelen zum Fall Sarrazin drängen sich geradezu auf.

In „The Crusader. The Life and Tumultous Times of Pat Buchanan“ (Der Kreuzzügler. Das Leben und die Zeit von Pat Buchanan) wird vor allem die Rolle seiner Schwester herausgearbeitet. Bay Buchanan ist genauso politisch wie ihr älterer Bruder: Sie diente unter Ronald Reagan als Finanzministerin. Stanley hat für sie die Rolle des Schwarzen Peters reserviert. Bay Buchanan sei es gewesen, die ihren Bruder zur dritten, aussichtlosen Kandidatur und mehreren anderen Fehlern gedrängt habe. Komisch, daß jemand, der stets als Chauvinist gebrandmarkt wurde, in Wirklichkeit in seine letzte Niederlage ging, weil er nicht nein zu seiner Schwester sagen konnte, schreibt er.

Stanley hat unter anderem zwei weitere Dinge herausgearbeitet, die auch gut informierten Lesern bislang so nicht bekannt waren: Zum einen war Buchanans Verhältnis zu Richard Nixon weit besser und seine Rolle in dessen Regierung bedeutender, als dies seine eigene Autobiographie andeutet. Und zweitens: Pat Buchanan war 1996 näher an der Präsidentschaft als die Zeitgeistmedien in den USA und erst recht bei uns jemals wahrhaben wollten. Es hat nicht viel gefehlt, und die Partei hätte ihn statt Bob Dole als Kandidaten aufgestellt. Mit seiner anderen Herangehensweise und seiner Strahlkraft auf unabhängige und demokratische Wähler hätte er bessere Chancen gehabt, Clinton als Präsidenten abzulösen. Die Geschichte hätte einen anderen Verlauf genommen.

Vielleicht werden in hundert Jahren einmal Konservative zurückschauen und sagen: Das war einer. In den neunziger Jahren war die Zeit noch nicht reif für einen wie Buchanan. Wird sie es je sein?

Timothy Stanley : The Crusader. The Life and Tumultous Times of Pat Buchanan. Thomas Dunne Books, New York 2012, gebunden, 464 Seiten, etwa 19 US-Dollar

Foto: Amerikas konservativer politischer Analytiker Pat Buchanan, Washington 2010: Eher geduldet als geliebt

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