© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/12 24. August 2012

„Abschieben, abschieben“
Berlin: Die Pro-Bewegung demonstriert gegen Islamismus und erntet Protest
Lion Edler

Schon bevor die islamkritische Partei Pro Deutschland am vergangenen Wochenende ihre Demonstrationen vor mehreren Berliner Moscheen beginnt, kommt es zu Störungen. „Wie wollen Sie es schaffen, Ihre menschenverachtenden Gedanken zu verbreiten, wenn Sie es noch nicht einmal verhindern können, daß hier Gegendemonstranten reinkommen?“ fragt ein Teilnehmer der Pressekonferenz. Die Frage kam von keinem Journalisten. Sogenannte „Antifaschisten“ hatten sich als Pressevertreter ausgegeben und so Zugang zu der Informationsveranstaltung erhalten. Es folgt kollektives Gebrüll: „Nazis raus!“ und „Nie wieder Deutschland!“ Viele Journalisten wirken verschreckt, doch rasch klicken die Kameras. „Gegen rote Chaoten helfen nur Patrioten!“ reimt reaktionsschnell der stellvertretende Pro-Vorsitzende Jörg Uckermann. Das Motto der Demonstrationsserie, bei der auch Mohammed-Karikaturen gezeigt werden: „Der Islam gehört nicht zu Europa – Islamisierung stoppen!“

Stunden später vor der Al-Nur-Moschee in Berlin-Neukölln: In dem Gebäude sitzen einige verschleierte Mädchen am Fenster. Eines zieht vorsichtig die Gardine zur Seite und blickt ängstlich auf das Geschehen. Sie sieht auf Absperrungen, Dutzende Polizeiautos und ein Heer von Journalisten. Die Behörden befürchten Ausschreitungen von radikal-islamischen Salafisten und von Linksextremisten. Noch sind die Pro-Leute nicht da. Die Straße ist fein säuberlich aufgeteilt: auf der Moschee-Seite der Straße die Salafisten, auf der Gegenseite die „Antifaschisten“ streng separiert. „Unsere Gäste kommen gleich!“ kichert ein Salafist zu seinem Glaubensbruder. Man will die Sache mit Humor nehmen, so war die Strategie der Moscheegemeinden. Man wolle „die Provokationen von Pro Deutschland ignorieren“, sagt Faisal Sahlhi, stellvertretender Vorsitzender des Moscheenverbandes Islamische Förderation Berlin.

Dann erscheinen die etwa dreißig Vertreter von Pro Deutschland, die von Hunderten Gegendemonstranten mit den Parolen „Nazis raus!“ und „Allahu akbar!“ begrüßt werden. Als erster spricht Matthias Ottmar von der Republikaner-Jugend Hessen. Er redet weniger über den Islam als über kriminelle Ausländer und manches mehr. Es könne doch nicht sein, so Ottmar, daß Lehrer vorzeitig in Rente gingen, „weil sie fertiggemacht werden von den Kulturbereicherern“. Dann kommt er doch noch zum eigentlichen Thema. „Es gibt keinen moderaten Islam!“ meint Ottmar. In Anspielung auf den Ausspruch „Islam heißt Frieden“ fragt er mit Blick auf Ausschreitungen von Salafisten im Mai, bei denen in Bonn zwei Polizisten verletzt wurden: „Ist das etwa Frieden, wenn man auf Polizisten einsticht?“

Auch die gezeigten Karikaturen gehen hart mit dem Islam ins Gericht. Auf einer ist der Koran mit Pistolenkugeln zu sehen. Der Text dazu: „Waffen alleine töten keine Menschen – sie benötigen die Macht der Gedanken.“ Dicht daneben stehen junge Männer mit Sonnenbrille der „German Defense League“, also einer deutschen Verteidigungsliga, die die Versammlung unterstützte. Sie fordert „maximalen Widerstand“. Der nächste Redner ist Lars Seidensticker, der sich den Gegendemonstranten widmet. „Das ist ein Geschrei“, dröhnt Seidensticker ins Mikrofon, „an das man sich nicht gewöhnen kann!“ Wie Krokodile seien sie: kleines Gehirn, große Klappe.

Einig sind sich beide Seiten der Barrikade jedoch darin, daß hart gegen Störenfriede durchgegriffen werden muß: „Nazis raus!“ rufen immer wieder die einen, „Abschieben, abschieben“ die anderen mit Bezug auf Islamisten. Schließlich übernimmt Pro gar eine Parole vom Gegner: „Nazis raus!“ skandieren nun auch die Islamkritiker. Seidensticker hat inzwischen erklärt, daß Mohammed in eine Irrenanstalt gehört hätte. Zu vereinzelten Flaschenwürfen kommt es indessen nicht durch Salafisten, sondern durch „deutsche Linksextremisten“, wie die Internetseite der Pro-Bewegung anmerkt.

„Für uns ist Islamismus Beschißmus!“ ruft Seidensticker. Islamismus und Islam, diese Begriffe wechseln in den Pro-Reden häufig: Mal klingt es, als sei die Partei nur gegen Islamismus, wenig später wird „Freiheit statt Islam“ gefordert. Pro meint, der provokative Stil sei nötig, da man sonst totgeschwiegen werde. Über solche Vorwürfe reden die Journalisten hier nicht. Sie spotten lieber über den süddeutschen Dialekt eines Pro-Redners, den sie offenbar für typisch rechts halten. „Das ist so absurd – völlig schräge Situation!“ meint ein Journalist zu seinem ZDF-Kollegen.

Foto: Anhänger von Pro Deutschland vor einer Berliner Moschee: Provokationen ignorieren

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