© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/12 24. August 2012

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Im Ansatz gescheitert
Marcus Schmidt

Ja, nein, doch, nein. Auf diese Kurzform läßt sich die Posse um die mehrfach zu- beziehungsweise abgesagte und am Montag schließlich ganz gestrichene Vorstellung des Manifestes des Berliner Kreises bringen. Mit der Präsentation eines Grundsatzpapieres vor der Hauptstadtpresse wollten konservative Unionspolitiker um den hessischen CDU-Fraktionschef Christean Wagner medienwirksam in die Öffentlichkeit treten und sich rechtzeitig zum nahenden Ende der politischen Sommerpause deutschlandweite Aufmerksamkeit verschaffen. Es sollte endlich Schluß sein mit den halbkonspirativen Treffen in Berliner Kaffeehäusern und, was noch wichtiger ist, endlich sollte schwarz auf weiß zusammengefaßt werden, wofür die Konservativen in der Union thematisch überhaupt stehen.

Doch diese Chance wurde verstolpert – jedenfalls wenn man der offiziellen Lesart glauben schenkt. Denn Wagner begründete die Absage mit Verweis auf die Ferienzeit. Es habe einfach an Zeit gefehlt, den seit Wochen vorliegenden Entwurf des Manifestes unter den Mitgliedern des Kreises abzustimmen. Von der Bild-Zeitung, die Wagner und seine Mitstreiter in der vergangenen Woche bereits ganz im Sinne des Konrad-Adenauer-Hauses als „Zwergenaufstand gegen die Kanzlerin“ verspottete, wurde der Hesse für diese Begründung am Dienstag zum Verlierer des Tages („Schnellmerker“) ernannt.

Dabei spricht vieles dafür, daß nicht alleine Abstimmungsprobleme innerhalb des Kreises zur Absage führten. Vielmehr ist der Druck aus der Parteizentrale auf die Konservativen in den vergangenen Wochen offenbar zu groß geworden. In der Führungsriege um CDU-Chefin Angela Merkel, die in den vergangenen Jahren das noch verbliebene konservative Profil der Partei bis zur Unkenntlichkeit abgeschliffen hat, besteht kein Interesse an einer Renaissance des konservativen Flügels. Schon gar nicht vor der anstehenden Bundestagswahl.

Und so hatten sich in den vergangenen Tagen eine ganze Reihe von maßgeblichen CDU-Politikern kritisch zum Berliner Kreis geäußert, vom Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder, der feststellte, die CDU sei nie eine konservative Partei gewesen, bis hin zum hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier, der die Mitglieder des Kreises in der Welt am Sonntag davor warnte, „Unzufriedenheit zu verbreiten“. Eine Äußerung, die einer öffentlichen Rüge Wagners gleichkam und wahrscheinlich den Ausschlag für den am Montag verkündeten Rückzug gab.

Wagner und seine verbliebenen Mitstreiter, wie die Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach und der Innenausschußvorsitzende Wolfgang Bosbach, haben zwar bereits angekündigt, einen weiteren Versuch zu unternehmen, sich auf programmatische Grundsätze ihres Kreises zu einigen und diese der Öffentlichkeit vorzustellen. Doch selbst wenn ihnen das doch noch gelingen sollte: Im Konrad-Adenauer-Haus dürfte man das Thema Berliner Kreis mittlerweile als erledigt abgehakt haben. Das Aufbegehren der letzten Konservativen in der Union ist schon im Ansatz gescheitert.

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