© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/12 24. August 2012

EU-Frühwarnsystem nimmt deutsche Exportüberschüsse ins Visier
Gefahr „Made in Germany“
Bernd-Thomas Ramb

Die Kritik der EU an den deutschen Exportüberschüssen offenbart erneut ihre bedenkliche Abkehr von einstigen europäischen Idealen. Es wird bemängelt, daß ein EU-Land mehr Waren und Dienstleistungen exportiert als importiert. Die EU erachtet es als unerträglich, wenn der Wert des Exportüberschusses in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) einen von ihr willkürlich gesetzten Grenzwert von sechs Prozent überschreitet. Welchen Sinn macht es aber, dies zu sanktionieren, wie es die EU nun plant?

Exportüberschüsse entstehen maßgeblich, wenn die Exportgüter attraktiver als potentiell eintauschbare Importgüter sind. Wenn etwa Griechen deutsche Luxusautos kaufen, kann Griechenland nicht unbedingt erwarten, diesen Import durch den Verkauf von Olivenöl oder durch Ferienaufenthalte deutscher Touristen ausgleichen zu können. Dazu ist die deutsche Nachfrage zu gering. Gleichwohl bleibt der große Wunsch nach den Luxuslimousinen. Soll nun deren Qualität verschlechtert werden, damit diese Nachfrage zurückgeht? Sollen ab sofort die Deutschen zu Griechenlandurlauben zwangsverpflichtet werden?

Will die EU zum Abbau des Exportüberschusses eingreifen, bleiben ihr nur wenige Alternativen. Die beste – Abschaffung des Euro – könnte über Wechselkursänderungen der nationalen Währungen zu einem Ausgleich der Leistungsbilanzen beitragen. Am Euro wird aber stur festgehalten. Dann bleibt das stupide Mittel, Deutschland zu Strafzahlungen zu verurteilen – aber wieviel und an wen? Griechenland erhält ja schon deutsche Finanzhilfe, ohne daß sich die Exportsituation verbessert hätte. Außerdem müßte Deutschland, wenn es sich nicht weiter staatsverschulden will, diese Gelder von seinen Exportfirmen einfordern.

Eine andere Möglichkeit bestünde in der Verzollung deutscher Exporte mit gleichzeitiger Exportsubventionierung griechischer Waren und Dienstleistungen. Abgesehen von der nahezu artistischen Aufgabe, die Zollhöhen und Exportbeihilfen zielgenau festzulegen, widerspräche eine solche Handlungsweise dem EU-Grundsatz eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes mit freiem Warenaustausch – wenn auch dieser Einwand angesichts des fortschreitenden Verfalls anderer Ideale kaum ins EU-politische Gewicht fällt.

Notabene besteht das Problem des deutschen Exportüberschusses auch bei anderen EU-Ländern und nicht nur bei denen, die den Euro als Währung haben. Warum soll Deutschland diese Exporte einschränken, nur um exportschwachen Euro-Ländern eine fragwürdige Stütze zu bieten? Nicht zuletzt existieren deutsche Exporte in Nicht-EU-Länder, deren Volumen bei der Willkürschranke von sechs Prozent nicht berücksichtigt werden darf, wenn die EU den Verdacht einer politisch motivierten Verdammung des „Made in Germany“ vermeiden will.

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