© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/12 24. August 2012

Blick über die Wetterau
Keltenjahr 2012: Museum und Archäologischer Park am Glauberg in Hessen / JF-Serie – Teil zwei
Karlheinz Weissmann

Ähnlichkeiten zwischen der Keltenfestung auf dem hessischen Glauberg und denen auf dem Hohenasperg oder der Heuneburg in Baden-Württemberg sind offensichtlich. Auch hier gab es eine weit zurückreichende Siedlungskontinuität und eine Verknüpfung von Fürstensitz, Handelsplatz und Kultstätte. Allerdings gehören die Funde vom Glauberg nicht mehr in die Hallstatt-, sondern in die Latènezeit, die um 450 vor Christus begann und wie gesagt zur Verschiebung der keltischen Zentren unter anderem nach Norden führte.

Die Funddichte ist hier teilweise erstaunlich hoch, und zu den spektakulärsten Überresten gehört ohne Zweifel eine 1996 ausgegrabene lebensgroße Sandsteinstatue, die einen bärtigen Mann in Rüstung mit Kampfschild, Schwert, Halsring mit Schmuckanhängern in Tropfenform (der allerdings von den bekannten keltischen Torques deutlich verschieden ist) und einer „Mistelkrone“ zeigt. Ob es sich um einen Gott oder einen Herrscher handelte, kann die Archäologie bis heute nicht sagen.

Die Interpretation erschwert auch, daß zwar noch drei weitere Figuren ausgegraben werden konnten, die allerdings stark beschädigt sind und man sonst keine Vergleichsstücke hat, sondern auf Analogien zu Pfahlgöttern, Ahnenmälern, Heroenbildern oder die griechischen Kouroi zurückgreifen muß. Sehr wahrscheinlich ist eine Verknüpfung der Figuren mit den beiden „Fürstengräbern“ am Glauberg, bei deren Öffnung man auf die Überreste von drei Männern mit reichen Beigaben stieß.

Besonders eindrucksvoll waren die Gegenstände, die aus „Grab 1“ geborgen wurden. Neben einem goldenen Halsschmuck, der, abgesehen von der figürlichen Verzierung, ziemlich genau dem der Statue entspricht, fand man weitere Gegenstände aus Gold und Bronze, einen Gürtel mit Schwert, drei Lanzen, einen Reflexbogen mit Pfeilen und einen Schild. Außerdem stand am Kopfende eine der bei den Kelten äußerst beliebten bronzenen Schnabelkannen, deren Vorbild aus Italien stammt und die nicht nur auf den Warenverkehr bis in den Mittelmeerraum hinweist, sondern auch auf die Erwartung dieses Großen, an den Gelagen im Jenseits teilnehmen zu können.

Heute erhebt sich einer der Grabhügel wieder deutlich sichtbar am Rand des Archäologischen Parks Glauberg, in den die Fundstellen von der Steinzeit über die der Kelten bis zum Mittelalter eingebettet sind. Zu der Anlage gehören außerdem Reste einer Prozessionsstraße, Grabenverläufe unbekannter Funktion sowie Pfostenlöcher, die man auf Grund von Rekonstruktionen mit Holzstangen versehen hat, und die wohl ursprünglich im Zusammenhang mit Kalenderberechnungen standen.

Das Zentrum der „Keltenwelt am Glauberg“ bildet allerdings die Außenstelle des Archäologischen Landesmuseums Hessen. Bei dem erst im Frühjahr 2011 eröffneten kubusartigen Bau handelt es sich um ein Beispiel spektakulärer moderner Architektur, das gekonnt in die Natur eingebettet wurde und das mit seiner breiten Panoramafront einen Ausblick erlaubt, wie ihn wohl auch die Fürsten des Glaubergs genossen haben, wenn sie ihr Herrschaftsgebiet in der Wetterau überblickten.

Daß man sich nach der spektakulären Schau in der Frankfurter Schirn, mit der 2002 die Funde vom Glauberg der Öffentlichkeit präsentiert wurden, zu einer dezentralen Ausstellung entschlossen hat, darf als glückliche Entscheidung gewertet werden. Allerdings ist die Zahl der im Museum gezeigten Funde insgesamt überschaubar, die große Fläche wurde deshalb mit einer sehr breiten (und politisch außerordentlich korrekten) Darstellung der Erforschung des Glaubergs sowie Elementen des Infotainment gefüllt, die im Zweifel von der Sache selbst eher ablenken.

Die außerordentliche Qualität der zentralen Fundstücke und der Blick von der Anhöhe auf den imponierenden Grabhügel und die dahinter liegende Landschaft lohnen aber in jedem Fall den Besuch.

Geöffnet ist das Museum am Glauberg täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr. Nähere Informationen zum Museum und dem Archäologischen Park unter

www.keltenwelt-glauberg.de

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