© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/12 24. August 2012

Frisch gepresst

Weimar. Als „deutsche Stadt par excellence“ möchte die Thüringer Autorin Annette Seemann ihre Heimatstadt Weimar vorstellen. Darum spannt sie den Bogen vom Mittelalter zum Brand der Anna- Amalia-Bibliothek im September 2004. An deutschen Geistesheroen, die ihre Kulturgeschichte der Ilmstadt bevölkern, herrscht daher kein Mangel. Dabei stehen die vier Klassiker der „goldenen Zeit“, Goethe, Schiller, Herder und Wieland, gar nicht einmal allzu dominant im Mittelpunkt. Viel Raum gibt Seemann deren „Musealisierung“ während der „silbernen Zeit“ nach Goethes Tod, den „modernen Zeiten“, die um 1900 von Harry Graf Kessler und nach 1918 vom Bauhaus geprägt wurden, der „braunen“ NS- und der „roten“ DDR-Zeit, bis ihre Darstellung schließlich, in Anlehnung an die infantile Floskel aus Christian Wulffs propagandistischem Erbe, die „bunten Zeiten“ der Berliner Republik erreicht, die Weimar 1999 zur europäischen Kulturhauptstadt aufsteigen ließen und in denen das einstige „Athen von Deutschland“ sich – ungewohnt für die Ex-DDR – mit kontinuierlich steigenden Einwohnerzahlen behauptet. Für die meisten der 200.000 Besucher, die jährlich allein das Goethehaus am Frauenplan durcheilen, bietet Seemanns Opus sicher ein Zuviel an Informationen, für den kulturwissenschaftlichen Fachmann in zahlreichen Kapiteln, etwa in den kümmerlichen drei Seiten zu Herder, hingegen ein Zuwenig. (jr)

Annette Seemann: Weimar. Eine Kulturgeschichte. Verlag C. H. Beck, München 2012, gebunden, 464 Seiten, Abbildungen, 24,95 Euro

 

Politiker und Wähler. Bei Facebook kursiert eine CDU-Wahlwerbung von 1999, in der für den Euro geworben wird und welche die Frage „Muß Deutschland für die Schulden anderer Länder aufkommen?“ nicht nur mit einem „ganz klaren Nein“ beantwortet, sondern auch noch behauptet, „daß durch Stabilitätskriterien die Überschuldung eines Euro-Teilnehmerstaats von vornheraus ausgeschlossen werden kann“. Wie Christoph Braunschweig in seinem aufschlußreichen und lesenswerten Buch darlegt, gehört zu dieser kruden Propaganda immer jemand, der dieser folgt – nämlich der Wähler. Da dieser Unbequemes gern ausklammert, wird der „fatale Teufelskreis aus Politikerversprechen und Wähleranspruch“ erst in Gang gesetzt. (bä)

Christoph Braunschweig: Die demokratische Krankheit. Olzog Verlag, München 2012, broschiert, 206 Seiten, 22,90 Euro

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