© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/12 31. August 2012

Da hört der Spaß auf
Integration: An einer Berliner Schule trifft der Traum von Multikulti auf die Realität
Fabian Schmidt-Ahmad

Die harte Lebenswirklichkeit, sie trifft bei der Einschulung nicht nur Kinder, sondern auch deren Eltern. Wenn nämlich die Menschen mit ihrer Herzlichkeit und ihrer Lebensfreude, worunter sich der gewöhnliche Deutsche das Fremde vorstellt, Kinder haben, die mit den eigenen in eine Klasse gehen sollen. Spätestens dann stellt der gewöhnliche Deutsche fest, daß das Fremde auch Probleme bereitet. Zu besichtigen beispielsweise in der Lenau-Grundschule im total bunten und lustigen Berliner Bezirk Kreuzberg.

Vor vier Jahren lief der Journalist und taz-Mitbegründer Max Thomas Mehr beinahe zivilgesellschaftlich Amok. Grund war, daß seine jüngste Tochter an eben dieser etwas schlecht beleumundeten Schule eingeschult werden sollte (JF 28/08), was der Herr Papa unter allen Umständen verhindern wollte.

Aus Erfahrung mit verärgerten Eltern klug geworden, hat die Lenau-Grundschule nicht nur den Anteil von Kindern aus fremdsprachigen Familien auf drei Viertel der Schülerschaft reduziert. Als Dienstleistung wollte Schulleiterin Karola Klawuhn interessierten Eltern ermöglichen, sich bereits vor der Einschulung miteinander bekannt zu machen. Man traf, unterhielt und verstand sich. Heraus kam eine Klasse mit Kindern, bei denen zu Hause mehrheitlich deutsch gesprochen wird.

Das bedeutet in Kreuzberg allerdings, daß es dann mehrere Klassen mit Kindern geben muß, bei denen zu Hause alles mögliche, nur kaum deutsch gesprochen wird. Und wo sich die Eltern wohl nicht vorab um die Bildung ihrer Sprößlinge kümmerten. Was nicht heißen soll, daß diese weder Deutsch können, noch an der Klassenzusammensetzung ihrer Kinder desinteressiert sind. Einige deutsche Sätze beherrschen sie schon. Und zwar die, in denen Worte wie „Rassismus“ und „Diskriminierung“ vorkommen. Und Anwälte kennen sie auch.

Mehr braucht man auch nicht, um im Deutschland der Gegenwart etwas zu erreichen. Jetzt werden die Klassen durchmischt. Natürlich, wie es sich in Deutschland gehört, nicht durch einen gemeinsamen Konsens, sondern durch Anweisung der Schulbehörde. „Es ist unglücklich gelaufen“, bedauerte Klawuhn. „Das hätte ich wohl nicht zusagen sollen.“ Genau, wie können sich Eltern auch untereinander absprechen und die staatlich angeordnete Kinderverschickung unterlaufen. „Sollen sie doch wegziehen“, wie eine aufgebrachte türkische Mutter den Betroffenen empfahl.

Eine Forderung, die zwar nicht sehr höflich ist, aber den machtvollen demographischen Verdrängungsprozeß an den Schulen veranschaulicht, der schon längst eine Eigendynamik der Selbstwahrnehmung entfaltet. Wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Liljeberg ergab, waren 2010 immerhin 40 Prozent der befragten Türken der Meinung, am liebsten nur mit Türken zusammen zu leben. 2012 ergab eine Umfragewiederholung bereits eine Mehrheit von 62 Prozent. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil derjenigen, die sich wünschen, „daß in Deutschland irgendwann mehr Muslime als Christen wohnen“, von 33 auf 46 Prozent.

Allerdings muß man den Befragten zugute halten, daß für sie – ähnlich wie für die Deutschen – beim Wohlergehen der Kinder die Ideologie häufig aufhört. Trotz des lauter werdenden Nationalchauvinismus sind 91 Prozent der Meinung, daß türkischstämmige Kinder von klein auf Deutsch lernen müssen. Und ein wachsender Anteil von 75 Prozent möchte „unbedingt und ohne Abstriche“ zur deutschen Gesellschaft dazugehören. Eine Schizophrenie, die in dem Wunsch nach gemischten Klassen zum Ausdruck kommt.

Denn wer jetzt mit klammheimlicher Schadenfreude dachte, hier werde deutschen Spießbürgern endlich gezeigt, was multikulturelle Sache sei, muß enttäuscht werden. Das Gegenteil ist richtig. In der deutschsprachigen Klasse finden sich viele Kinder mit ausländischen Eltern. Im Gegensatz dazu besteht die Klasse, mit der nun ausgetauscht wird, vollständig aus Türken und Arabern. Es dürften also letztere sein, denen etwas von Kindern aus gut integrierten Familien beigebracht werden soll.

Wie gehen nun die Bildungsorientierten mit der neuen Situation um? „Ich bin kein Rassist, sondern selbst Migrant der ersten Generation“, wundert sich der seit zehn Jahren in Deutschland lebende Jae-Hyun Yoo. Womit der Koreaner zeigt, daß er bei aller Mühe wohl niemals Deutscher werden wird. Denn dazu bedarf es eines gewissen opportunistischen Wahnsinns. „Natürlich werde ich das mittragen“, wird ein anderer Vater wiedergegeben, dessen Kind nun in die Klasse mit Türken und Arabern gehen soll. „Wir haben uns doch bewußt für die Lenau-Schule entschieden, weil wir unsere Kiezschule unterstützen wollten.“

Von den Bürgern Karthagos hieß es auch, sie hätten ihrem Gott gehuldigt, indem sie ihm die eigenen Kinder zum Opfer in einen glühenden Schlund gestürzt hätten. Vielleicht ein römisches Propagandamärchen, aber wie dem auch sei, genützt hat es ihnen jedenfalls nichts. Ihre Stadt und ihre Kultur wurden dennoch dem Erdboden gleichgemacht. Dem heutigen Karthago wird es da nicht anders ergehen. Und wenn wir noch so viele unserer Kinder opfern. Diesem Götzen namens Multikulturalismus.

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