© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/12 31. August 2012

Gertrud Höhler. Keiner fordert die Kanzlerin heraus wie sie. Wer ist die Publizistin?
Die Wölfin
Karlheinz Weissmann

Wer je Gelegenheit hatte, Gertrud Höhler aus der Nähe zu erleben, wird von ihr beeindruckt gewesen sein: von ihrer Intelligenz, ihrer Schlagfertigkeit, ihrer Eleganz. Daneben kommen noch Faktoren ins Spiel, die man bis heute nicht als „typisch weiblich“ betrachtet: ihre Konfliktbereitschaft, ihre Härte, ihre Schärfe. Gertrud Höhler ist eine außerordentlich selbstbewußte Frau, und dieses Selbstbewußtsein hat weniger mit einer Karriere als Professorin für Literaturwissenschaft zu tun, eher mit der Arbeit als hochdotierte Beraterin großer Unternehmen (Deutsche Bank, Volkswagen, etc.) und dem Umgang mit den Mächtigen in Wirtschaft und Politik. Daß es sich dabei vor allem um Männer handelt, ist Höhler bewußt und wird von ihr als Teil der Wirklichkeit hingenommen, aber keineswegs als unabänderlich betrachtet. Denn sie trieb, geboren 1941 in Wuppertal, eine ganz persönliche Emanzipation voran und das unter Bedingungen, die nichts weniger als komfortabel waren. Als ledige Mutter gelang es ihr, einen Sohn großzubringen, und sich gleichzeitig als „Wölfin unter Wölfen“, so der Titel eines ihrer Bücher, zu behaupten.

Angesichts der Herkunft aus einem evangelischen Pfarrhaus und einer linken Prägung in den studentischen Zirkeln der sechziger Jahre hätte Höhler auch einen ganz anderen Weg einschlagen können. Aber es muß sich bei ihr verhältnismäßig früh ein antiideologischer Affekt ausgebildet haben. Man könnte sogar sagen, daß das „Antiideologische“ ein Grundmuster ihres Denkens und Verhaltens ist, was wiederum den gelegentlichen Irrtum erklärt, daß sie eine Konservative sei.

Tatsächlich zeigt sie keine gefühlsmäßige Bindung an Religion, Nation oder abendländische Überlieferung. Wenn sie Bestände verteidigt, dann unter Verweis auf deren Funktion oder deren Nutzen. Insofern ist ihr ein Verständnis von Modernität eigen, das man wahlweise amerikanisch, pragmatisch, technokratisch oder frühbundesrepublikanisch nennen könnte, und das auf „toughe“ Frauen immer eine gewisse Anziehungskraft hatte.

In den Zusammenhang gehören auch der Optimismus und die Bejahung des Leistungsprinzips, der Realismus und deshalb die Ablehnung der Gleichmacherei. Deshalb paßt Gertrud Höhlers CDU-Parteibuch, oder besser: hat gepaßt, denn die Union, einmal die Gralshüterin dieser Werte, hat sich längst von ihnen verabschiedet.

Das erklärt weiter Gertrud Höhlers kritische Haltung gegenüber Angela Merkel und ihrem mafiosen „System“. Die Pointiertheit des Urteils in ihrem Buch über die „Patin“ und die Gnadenlosigkeit, mit der sie sich zum Thema öffentlich äußert, kann man allerdings nicht nur der Sache und der Analyse zuschreiben. Da spielen auch die oben skizzierten Charakterzüge mit, eine nüchterne Einschätzung der Menschen und der Medienwirklichkeit und – ganz tief drinnen – die Überzeugung, es selbst besser zu können.

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