© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/12 31. August 2012

„Belgien muß weg“
Flandern: Über 5.000 Besucher legten auf dem 11. Ijzerwakefest ihr Bekenntnis für die flämische Sache ab
Mina Buts

Obwohl es den ganzen Morgen in Strömen geregnet hatte, kamen am Sonntag in Steenstrate/Westflandern fast 5.000 Flamen zur 11. Ijzerwake am Ehrenmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Gebrüder van Raemdonck zusammen. Auf den Zugangswegen zum Gelände lagen belgische Fahnen auf der Erde, die im wahrsten Wortsinn mit Füßen getreten werden mußten. Dieser symbolische Akt, übrigens anders als von den belgischen Medien dargestellt kein Novum auf flämisch-nationalen Veranstaltungen, stand für das, was die Besucher erwartete und von ihnen auch erhofft wird: „Belgien muß weg und Flandern muß stattdessen auferstehen.“ Das kaum übersetzbare „Omver en erover“ (angreifen und siegen) war dann auch das diesjährige Motto.

Zum ersten Mal seit dem Entstehen der Ijzerwake fand diese am gleichen Tag wie die traditionsreichere Ijzerbedevaart, die seit 1920 jährlich begangen wird, statt. Bislang, so die Veranstalter, sollte jedem die Möglichkeit gegeben werden, an beiden Totengedenken teilzunehmen. Nachdem die Ijzerbedevaart sich aber in den vergangenen Jahren immer mehr zu einem multikulturellen Völkerverständigungsfestival entwickelt hat und immer weniger Besucher anzog, mußten sich die Flamen nun entscheiden.

Mit seiner Äußerung „Die Leute dort hinten wollten uns sicher ärgern“, traf der Präsident der Ijzerbedevaart, Paul de Belder, den Nagel auf den Kopf. Das Votum fiel eindeutig aus: Fast 5.000 Menschen waren auf der Ijzerwake, knapp 1.000 auf der Ijzerbedevaart. Schon vor einigen Wochen hatte das Ijzerbedevaartkommittee bekanntgegeben, daß die Veranstaltung im kommenden Jahr eingestellt werden würde: „Wir sind es satt, den Leuten den Unterschied zur Ijzerwake zu erklären. Wir stehen für Toleranz und einen aktiven Pluralismus ein“, so de Belder. Ab 2013 geht die Ijzerbedevaart in einem allgemeinen Totengedenken anläßlich des Buß- und Bettags am 11. November auf.

Der Kontrast zur Ijzerwake könnte nicht größer sein. Nicht nur Vertreter der beiden großen Rechtsparteien in Flandern, N-VA (Neu-Flämische Allianz) und Vlaams Belang, von letzterem auch die Führungsriege, waren anwesend, sondern auch der Vorsitzende des seit 75 Jahren stattfindenden „Allgemeinen Sangfestes“ in Antwerpen Erik Stoffelen, der Jugendbund VNJ mit seiner Musikkapelle, das Sprachaktionskomitee TAK, die Vorfeldorganisation Voorpost, flämische Studentenverbindungen, die flämische Volksbewegung VVB, die Wochenzeitung ‘t Pallieterke, die Deltastiftung, die die Zeitschrift TeKoS herausgibt, sowie das nonkonforme Radio Rapaille.

Der Vorsitzende des Ijzerwake, Wim de Wit, hatte in seiner Ansprache vor allem die aus Sicht der Flamen unglückliche Teilung des Wahlkreises Brüssel-Halle-Vilvoorde (BHV) vor Augen: „Jeder begreift, daß die sogenannte saubere Teilung in Wirklichkeit eine schmutzige Ausbreitung Brüssels ist. Flandern hat einen hohen Preis bezahlt, einen viel zu hohen. Wir haben eine Niederlage erlitten.“ Und weiter: „Die unrechtmäßigen Privilegien für die Französischsprachigen sind durch Ausnahmegesetze und -regelungen betoniert. Weil Belgien aber nicht ohne diese Regelungen existieren kann, wählen wir die Abschaffung beider.“ Er appellierte an die flämisch-nationalen Parteien, die Hetze gegeneinander einzustellen und sich die Hände zu reichen. Parallel dazu brachte der Gastredner Willy Dewaele, ehemaliger Bürgermeister der Brüsseler Randgemeinde Lennik, die Probleme auf den Punkt: „Die Flamen, so Dewaele, würden durch die Verfassung gegeißelt und würden die „permanente Erpressung“ durch die Französischsprachigen hinnehmen.

Im Anschluß an die Gedenkfeier trafen sich die Teilnehmer im großen Festzelt, wo es zu moderaten Preisen Essen und Trinken gab und sich die einzelnen Organisationen an Ständen vorstellen konnten. Dank des dann doch freundlicheren Wetters belagerten die Kinder die Hüpfburgen und konnten sich auf der Festwiese austoben. Wie brachte es einer der Busfahrer anschließend auf den Punkt: „Die Batterien sind wieder für ein Jahr aufgeladen.“

Foto: Kinder des flämischen Jugendbundes VNJ auf dem Ijzerwakefest: „Flandern muß wiederauferstehen“

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